Brasilianisches Fieber. Rhythmische Klänge und Bewegungen.
Leidenschaftliche Musik. Sonne. Tropische Temperaturen. Das
Sambagefühl liegt in der Luft, überall versprüht es sein
Temperament. Wer glaubt, wir befinden uns in Brasilien oder im
Sambodrom zum Karneval von Rio de Janeiro, der täuscht sich,
gewaltig. Wir sind in Deutschland. In einem Land, wo Rhythmusgefühl,
Temperament und Taktgefühl eher weniger ausgeprägt sind.
Einmal im Jahr verwandelt sich das oberfränkische Coburg, nahe an
der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze gelegen, in das Sambodroms
Deutschlands. Das Sambafestival in Coburg ist alljährlich das
„Must-Have“ der internationalen Szene. Dann heizen rhythmische
Klänge und feurige Tänzerinnen die Innenstadt ein. Auf dem Areal
vom Schlossplatz bis zum Marktplatz wird ein buntes und
abwechslungsreiches Rahmenprogramm von Freitag bis Sonntag geboten.
Highlight ist der farbenprächtige und pompöse Sambaumzug am
Sonntag. Diesen Tag haben wir uns ausgesucht. 12 Euro sind auf den
ersten Blick schon happig, aber lohnenswert. Zwei Bühnen bieten
reichlich Action. Eine davon ist auf dem riesengroßen Schlossplatz
aufgebaut, im Hintergrund diese unglaubliche schöne Kulisse mit dem
Schloss Ehrenburg, dem Theater und dem Blick in die Altstadt. Bands,
Samba- und Tanzgruppen zeigen ihr Können und sorgen für
Kurzweiligkeit im Programm. An verschiedenen Fressbuden kann man
seinen Gaumen verwöhnen. Coburger Bratwurst, Stockbrot, Steak, Gyros
sind nur ein Teil des Angebots. An Flüssigkeit für den Körper ist
natürlich auch gesorgt. Sowohl alkoholisch, als auch alkoholfrei.
Das Komplettprogramm also. Ich brauche erst mal etwas Bissfestes. Den
Hunger stillen. Ein paar Bratwürste nach Coburger Art mit einer Cola
kommen mir gerade recht. Gegrillt werden sie paradoxerweise von
Italienern. Es ist zwar nicht gerade das Gesündeste, interessiert
mich aber in dem Moment weniger. Hauptsache es schmeckt. Sie sind
sehr würzig, kräftig und reichhaltig. Die Thüringer Rostbratwurst
übertrifft sie dennoch nicht.
Neben den Ess- und Trinkbuden sind verschiedene Souvenir- und
Zubehörstände aufgebaut. Sie bieten alles rund um das
brasilianische Lebensgefühl an Trommeln in großer und kleiner
Ausführung, Schmuck wie Ketten und Ringe, diverse Flaggen, Perücke
mit Federn oder ganze Sambakostüme. Die Auswahl ist nahezu
unbegrenzt.
Wir schlendern herum, durch die Straßen und Gassen der
malerischen Altstadt. Gut, wir drängen uns hindurch. Die
Menschenmassen sind unterwegs. Über die drei Tage erwartet man
insgesamt über 20000 Besucher. Das ist gewaltig. Trotz bewölktem
Himmel und späterem Regen hat das Festival viel Schaulustige
angezogen. Die Stadt ist sehr gut gefüllt. An jeder Ecke
präsentieren Sambagruppen ihr Können. Sie stimmen sich schon auf
das Highlight des Wochenendes ein. Dem Sambaumzug. Die am Festival
teilnehmenden Sambaschulen und Tanzgruppen ziehen mit ihren kreativen
Kostümen und den rhythmischen Klängen durch die Stadt. Ein wahres
Schauspiel auf 2 Km Länge. Pünktlich zum Start des Umzuges um 14
Uhr beginnt es zu regnen. Starkregen, kein Nieseln, kein kurzer
Schauer. Der Himmel ist mit dunklen Wolken bedeckt. Schöne Sch….
Er findet trotzdem statt, leider ohne die brasilianischen Tänzerinnen
mit ihrem Kopfschmuck, der mit prachtvollen Straußenfedern
geschmückt ist. Sündhaft teuer. Sie dürfen nicht nass werden, sie
gehen sonst kaputt. Irgendwann hat Petrus doch noch Erbarmen mit uns.
Nach einer dreiviertel Stunde hört es endlich auf. Die Regenschirme
können zusammengepackt werden. Die Sambatänzerinnen, eigens aus
Brasilien eingeflogen, reihen sich nun in den Festumzug ein. Wir
bekommen sie doch noch zu sehen. Sie brillieren mit ihrem
Hüftschwung, ihren majestätischen Bewegungen und ihrem Flair
Lateinamerikas. Sie strahlen das positive Lebensgefühl aus. Mit
ihrem prachtvollen Kopfschmuck tanzen sie leicht bekleidet durch
Coburgs Altstadt. Echtes Sambafeeling kommt auf. Man bewegt sich
selbst im Rhythmus der Trommler und Takt der Musik mit, der ganze
Körper ist in Wallung. Ich bin angesteckt. Über zwei Stunden dauert
das Spektakel. Die Anstrengungen sind den Teilnehmern ins Gesicht
geschrieben, eine schweißtreibende Angelegenheit. Sie geben alles,
trommeln und tanzen, was der Körper nach zwei Tagen Festival noch
hergibt. Die durchgefeierten und durchzechten Nächte hinterlassen am
dritten Tag doch ihre Spuren. Der Körper geht auf dem Zahnfleisch.
Dennoch ist ihnen die Freude und der Spaß anzusehen. Sie
transportieren ihre Leidenschaft nach außen und übertragen sie auf
den Besucher, einschließlich mich. Als sie das Ziel erreichen, fallen
sie sich glücklich und erleichtert in die Arme. Die Gesichter
strahlen. Mittlerweile blitzt die Sonne sogar noch einmal zwischen
den dicken Wolken hervor. Für die Teilnahme an diesem Highlight
bewerben sich jedes Jahr hunderte verschiedenen Sambaschulen und
Gruppen aus ganz Europa. Alle wollen unbedingt teilnehmen.
Mittlerweile müssen sie vom Veranstalter sogar vertröstet werden.
Sie werden dann auf die Wartelistefür die kommenden Jahre gesetzt.
Wahnsinn.
Der zweite große Festivalort ist der Marktplatz, nur einen
Steinwurf vom Schlossplatz entfernt. Auf der Bühne haben ebenfalls
Sambagruppen und Tanzschulen Gelegenheit ihr ganzes Können zu
präsentieren. Dabei wechseln etwa jede halbe Stunde die Akteure. Die
einen trommeln mit ihren Händen auf alten ausrangierten Holzkisten,
die anderen schmücken sich zusätzlich zu ihren Klängen mit
ästethisch tanzenden Tänzerinnen. Eines haben sie alle gemeinsam:
die Liebe und Leidenschaft zum Samba. Das spürt man. Die Zeit
vergeht, dafür ist gesorgt.
Die Coburger Innenstadt bietet für das Sambafest die beste
Kulisse. Der riesige Schlossplatz mit dem Schloss Ehrenberg, dem
Theater und dem Palais Edinburgh ist wirklich famos. Die malerische
Altstadt steht dem in nichts nach. Der Marktplatz mit dem Rathaus,
mit den Cafès und Restaurants versprüht einen verzaubernden Charme.
Wirklich sehenswert.
Also warum beides nicht miteinander verbinden?! Stadt und
Festival. Eine lohnenswerte Geschichte, in der man viel neues
entdeckt. Das positive Lebensgefühl ist inklusive.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen