Brücken verbinden Orte und
Landschaften miteinander. Sie erleichtern das Erreichen von A nach B.
Ihre Funktionalität ist unbestritten. Manchmal haben sie eine
tiefsinnigere Bedeutung. Eine Symbolkraft. Eine Signalwirkung. So wie
diese.
Eine davon ist die Saalebrücke von
Rudolphstein. Heute heißt sie „Brücke der Deutschen Einheit“.
Sie überspannt die Saale und damit die thüringisch-bayerischen
Landesgrenze. Zu finden ist das durchaus beeindruckende Bauwerk auf
der Bundesautobahn 9, also kurz gesprochen A9, zwischen den
Anschlussstellen Lobenstein und Rudolphstein. Fährt man darüber,
nimmt man natürlich nichts von ihrer Konstruktion war. Die
überdimensionalen braunen Schilder weisen darauf hin, dass hier
einst die ehemalige deutsch-deutsche Grenze ihre Schneise durch das
Saaleland zog.
Darum wollen wir hinunter ins Tal, zu
den Füßen, zu den Brückenpfeilern. Unser Weg dahin, beginnt in
Sparnberg, dem ersten Ort auf thüringischer Seite. Direkt an dem
rechten Saaleufer gelegen und somit an der ehemaligen Grenze. Das
kleine verschlafene Nest erreichen wir aus Richtung Rudolphstein,
über eine enge Holzbrücke, im Jahre 1993 nach der Wende
wiedererrichtet, überwindet den Fluss und schafft Zugang zu dem
kleinen Dorf.
Der erste visuelle Eindruck stimmt
schon einmal. Die im 15. Jahrhundert erbaute Kirche in warmen
sandfarbenen Tönen ragt durch ihre Lage auf einer Anhöhe und mit
ihrer Größe heraus. Unterhalb von ihr fügen sich die
Fachwerkhäuser mit den mattschwarzen Schieferdächern nahtlos ins
Bild. Flankiert wird das Örtchen von den seitlich umliegenden
Anhöhen, die mit typischen Baumarten unserer Klimazone bewachsen
sind. Ungefähr 150 Menschen leben in dem Ortsteil der Stadt
Hirschberg, der über mehrere Jahrhunderte sogar Stadtrechte besaß.
Laut einer Legende sollen die Sparnberger den damaligen böhmischen
König Wenzel II. auf einer seiner Flucht beköstigt haben und aus
Dankbarkeit die Stadtrechte und die damit verbundenen Privilegien
verliehen haben. Ob das stimmt?! Man weiß es nicht. Eine Burg soll
es auch einmal gegeben haben, dass war früher, im 9. Jahrhundert.
Mauerreste sollen davon heute noch erhalten sein. Uns sind sie nicht
über den Weg gelaufen. Der traurigste Teil der Historie Sparnberg
ist sicherlich der jüngere. Die Lage am Eisernen Vorhang prägte den
Ort von 1949 bis 1989 entscheidend. Die Bewohner waren von Mauern,
Stacheldraht und Zäunen umzingelt. SED-Funktionäre bespitzelten
jede Handlung, Grenztruppen meldeten jeden Verstoß. Die Ausweise der
Sparnberger Bevölkerung hatten in den ersten Jahren der DDR sogar
rote Stempel darin. Diese musste man am Schlagbaum immer vorzeigen.
Ohne Stempel war man ein Niemand. Rein oder raus,
nichts von beiden war ohne ihn möglich. Welch Schicksal.
Welch Schicksal, in seinem Leben und seiner Freiheit so beschnitten
zu werden.
Unser Weg zum eigentlichen Ziel beginnt
nun. Den Lärm der Autobahn kann man deutlich wahrnehmen. Geschätzte
3km laufen wir auf dem Kammweg zur Brücke. Durch blühende Natur.
Wir wandern im Grünen Band, dem Geländestreifen der ehemaligen
Demarkationslinie zwischen Ost und West, in der sich innerhalb von 40
Jahren eine einzigartige Natur entwickelt hat. So auch in diesem
Abschnitt. Der Kolonnenweg ist angenehm zu laufen. Man läuft auf
Beton. Lochplatten sind als Untergrund verlegt. Aufpassen ist ab und
an trotzdem angesagt. Teilweise kann man in den Hohlräumem dieser
Platten mit dem Fuß stecken bleiben. Zu DDR-Zeiten war das ein
Patrouillen- und Versorgungsweg für die positionierten Grenzposten.
Deswegen die Verlegung der Platten, machte es einfacher.
Da sind wir, die Brücke ist vor uns.
Eigentlich sind es zwei. Die alte und die neue. Direkt
nebeneinander. Die alte, die Gewölbebrücke, wurde 1936 nach einem
Jahr Bauzeit in Betrieb genommen. 3 Millionen Reichsmark hat das Teil
gekostet. Es wurde geglotzt statt gekleckert. 8 halbkreisförmige
Bögen stützen das 254m lange Monument bei einer Höhe von etwa 35m.
Das ist schon gewaltig. Zum Ende des 2. Weltkrieges wurde sie von
deutschen Truppen empfindlich beschädigt. 21 Jahre passierte nichts.
1964 schloss die BRD und die DDR einen Vertrag über die
Instandsetzung der Gewölbebrücke. Die BRD hat gezahlt, die DDR
gebaut. 5,5 Millionen Mark hat das Projekt gekostet.
Die neue Brücke hat eine andere
Bauart. Es ist eine Spannbetonkonstruktion mit neuen Stützpfeilern.
Sie wurde 1996 errichtet, kostete 14 Millionen DM. Viele, viele
Millionen wurden hier verbaut. Unsummen, die für uns
Ottonormalverbraucher gar nicht greifbar sind. Notwendig wurde sie,
weil die alte Brücke für das erhöhte Verkehrsaufkommen nicht mehr
ausreichend war. Eine einfache Lösung, einfach daneben gebaut.
Kluges Deutschland.
Wir gehen unter die Pfeiler, mitten
unter der Brücke laufen wir zur Saale. Links die geradlinigen
Betonpfeiler der „neuen“ Brücke, rechts die steinernen Stützen
der „alten“. Es ist aber nicht nur die schreckliche DDR-Zeit,
auch der Nationalsozialismus hat schockierenderweise seine Spuren
hinterlassen. Wir glauben es kaum, was uns im Vorfeld durch die
Internetrecherche schon berichtet wurde. Nach kurzer Suche an den
Pfeilern der alten Brücke entdecken wir es. Am vierten werden wir
fündig. Wir sind sprachlos und schockiert. Das Hakenkreuz wurde beim
Bau der Brücke in die Mauern eingearbeitet. Es ist deutlich
erkennbar. Unglaublich. Zwar wurde versucht, die Farbe der Steine zu
verändern, genutzt hat es nicht viel. Wahnsinn, das hätten wir
nicht gedacht. Das bleibt in Erinnerung. Kein Halm, kein Busch wächst
unmittelbar darunter, nur staubtrockener Boden. Die Saale fließt am
südlichen Beginn der Brücke hindurch. Unmittelbar an der der
Anhöhe, die erneut bewaldet ist. Breit ist sie nicht, kein
ausgebauter Strom. Sehr natürlich der Flusslauf. Wie das gesamte
Landschaftsbild. Weite grüne Wiesen und dichte Wälder bestimmen es.
nichts ist mehr von dem tödlichen Grenzstreifen zu sehen, das Grüne
Band lebt. Fast vergisst man die schreckliche Vergangenheit. Nur
Idylle weit und breit. Einzig der Lärm der Autobahn stört.
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