Es ist April. Die Motorradsaison ist seit einiger Zeit
wieder eröffnet. Pünktlich ab dem 1. April haben die Biker ihre „Mopeds“
startklar gemacht. Es kribbelt in ihren Fingern. Eine Faszination übt dieses
Gefährt aus, auf Jedermann. Das Spielen mit der Geschwindigkeit, die Freiheit
auf dem Motorrad, die Maschinen. All das lässt die Motorradgemeinschaft von
Jahr zu Jahr wachsen. Das drückt sich auch in einem sehr speziellen Event aus:
Der alljährigen Motorradsternfahrt im oberfränkischen Kulmbach.
Blick auf das Sudhaus der Brauerei |
Kulmbach. Eigentlich ist die Stadt für ihre Biere bekannt.
Biertradition wird hier ganz ganz groß geschrieben. Die Kulmbacher Brauerei mit
ihren verschiedenen Biersorten bestimmt das Wesen der Stadt, dazu noch die
bekannte Bierwoche Ende Juli als Highlight. Nicht für umsonst bezeichnet sich
Kulmbach, mit seiner über der 26000 Einwohner starken Stadt thronenden
Plassenburg, als „Die heimliche Hauptstadt der Biere“. Einmal im Jahr ist das
aber nebensächlich. Nämlich dann, wenn die Stadt aus allen Nähten platzt. Die Biker
erstürmen mit ihrem Geknatter der Auspuffrohre das Feld. Dann verwandelt sie
sich in “Die heimliche Hauptstadt der Biker“. Zehntausend Motorradfahrer aus
ganz Europa kommen dann hierher. 2 Tage Biker-Halligalli. Ein wirkliches
Spektakel.
Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit – mit Spektakel
Schon zum 14. Mal wird diese Sternfahrt ausgetragen,
organisiert von der oberfränkischen Polizei und dem Bayerischen
Innenministerium. Deswegen setzt auch die Veranstaltung voll und ganz ihren
Fokus auf das Thema Fahrsicherheit im Straßenverkehr. Dazu sind viele
Attraktionen und Messestände aufgebaut. So fand zweimal am Tag vor dem Sudhaus
der Kulmbacher Brauerei der sogenannte “VIP-Stunt“ statt. Ein professioneller
Stuntman fuhr dabei mit seiner Suzuki auf eine seitlich stehende alte Schüssel, sprich Auto,
auch das war ein Suzuki und provozierte einen Aufprall, bei einer
Geschwindigkeit von 50km/h. Er landete weich und unverletzt in den dahinter
aufgestapelten Kartonagen. Schon bei dieser Geschwindigkeit sah das sehr spektakulär
aus. Das Ziel zur Sensibilisierung erzeugt da ihre Wirkung, sowohl bei
Motorrad-, als auch bei Autofahrer. Auch die beiden führenden Prüf- und
Überwachungsgesellschaften im Straßenbereich waren mit ihren Ständen und ihrem
Know How vertreten. Beim TÜV-Messestand war ein Smart umgebockt, quasi auf dem
Dach gehoben. Man konnte hineinkrabbeln, musste sich anschnallen und das
Fahrzeug wurde mittels einer Verbindung über eine Computersteuerung
durchgerüttelt und geschüttelt. Sollte wahrscheinlich zeigen, welche Kräfte da
wirken. Die DEKRA sorgte für einen weiteren Crash-Test. Dabei fuhr ein
Motorrad, “gelenkt“ von einem Dummy als Fahrer, mit einer Geschwindigkeit von etwa 30-40 km/h, geführt
durch ein Stahlseil, auf das Heck eines Renault Clios. Auch dieses Schauspiel
verfehlte seine Wirkung nicht. Der Dummy flog und flog und flog. Wiederholt
beeindruckend, welche Kräfte wirken, lässt den Respekt nur noch mehr wachsen.
Stehe nämlich auch kurz davor, meinen Führerschein zu machen, die Theorie habe
ich erfolgreich bestanden, jetzt gehts an das Praktische. Die oberfränkische
Polizei, die Bayerische Straßenverwaltung und zu guter Letzt der ADAC
komplettierten die Messestände bezüglich des Themas Sicherheit im
Straßenverkehr. Bei dem zurecht arg
gebeutelten ADAC war es durchaus lustig. Man konnte sich auf ein Motorrad
setzen, welches links und rechts auf
“Stützräder“ nur dann gehalten wurde, wenn man das eigene Körpergewicht
jeweils auf eine Seite verlagert. Praktisch so, wie wenn man in einer Kurve
liegt. Dabei wird man durch zwei witzige Mitarbeiter mit stattlicher Größe von
der einen zur anderen Seite geschoben. Lustige Sache das Ganze. Die Blue
Knights aus Belgien, eine Motorradclique, hatten merklich ihren Spaß. Mit ihrem
Französisch unterhielten sie nicht nur sich selbst, sondern die gesamten Besucher am
Messestand. Breites Lächeln in den
Gesichtern.
Alles präsentiert
sich
Sonst stand natürlich alles im Zeichen der Maschinen. Alle
weltweit gefragtesten Hersteller hatten ihre Topmodelle präsentiert. Egal, ob BMW, Kawasaki, Suzuki, Ducati oder
die wilden Triumph. Das Bikerherz machte Luftsprünge. Geiles Gefühl auf einer
Kawasaki Ninja, auf einer Yamaha R1 zu sitzen oder die BMW unter dem
Allerwertesten zu haben. Zubehör gab es natürlich auch zu erstehen. Helme in
verschiedenen Designs, Lederkombis, Halstücher, Stiefel oder Handschuhe,
Schmuck. Allmöglichen Schnick-Schnack. Und die Menschen interessiert sich
natürlich in Scharen, teilweise musste man sich durchdrängeln. Das geht zu
Lasten der Geduld, bei mir jedenfalls.
An die Kleinen wird auch gedacht. Kinderschminken, Hüpfburgen,
Dreiradfahren oder Bimmelbahn standen bereit, um von den Kids erobert zu
werden.
Show der Biker von klein bis groß
Das große Highlight ist natürlich der Sonntag. Nach dem frühmorgendlichen
Motorradgottesdienst findet die immer allgegenwärtige Sternfahrt statt, die
Punkt 12 Uhr startet. Zehntausende Motorradfahrer aus Nah und Fern, aus In- und
Ausland fahren im Korso durch die Innenstadt. Selbstredend, dass sie ihre
Muskeln ordentlich spielen lassen. Lautes Hupen, das Spielen mit dem Gashebel
oder die knallartigen Fehlzündungen sind an der Tagesordnung. Dicht an dicht
wird da gefahren, oftmals mit überhöhter Geschwindigkeit und Unkonzentriertheit
durch Ablenkung. Wundern braucht man sich da nicht, wenn Unfälle passieren.
Einen haben wir live miterlebt. Nichts Schlimmes, keine Verletzten, das ist das
Wichtigste. Nur der Seitenspiegel wude abgfahren und der Tank hat irgenwie ein Lenk
davon getragen. Die Lache auf der Straße war unübersehbar. Der THW
eilte herbei.
Klar, dass man hier eine wahnsinnige Vielzahl an Maschinen
sieht, jeder Kategorie, jeder Marke.
Supersportlich, Chopper und Cruiser-Typus oder Naked Bike. Sogar
stinknormale Roller sind mitgefahren.
Die finde ich dort absolut fehl am Platz. Verdienen zwar ihre Berechtigung an
der Teilnahme auf dem Papier, passen aber mit ihrer Motorisierung und ihrer
“Erscheinung“ nicht ins Bild. Von den mitfahrenden Quads ganz zu schweigen,
bodenlos, mehr fällt mir dazu nicht ein. Abgesehen davon, ist das ein
Riesenspektakel. Viele sind mit lustigen Kostümen verkleidet. Pink Panther,
Kuschelbär oder Irokesen-Wolle auf dem Helm sind nur wenige Beispiele von
dieser Gaudi. Die Politik und die Polizei ist ebenfalls zahlreich beim Korso vertreten.
Angeführt wurde er vom bayerischen Innenminister Joachim Herrmann in seiner
Motorrad-Kluft, der später auch die Sternfahrt nochmals offiziell eröffnete.
Die Männer der grünen Staatsmacht ließen sich selbstredend nicht lumpen.
Zahlreiche Staffeln aus öffentlichen Dienst, Feldjäger oder der Bundeswehr
sorgten für einen geschlossenen Auftritt. Hinzu kamen ihre Kollegen der
befreundeten EU-Länder wie Italien, Österreich, Tschechien, Frankreich
oder der Niederlande. Auffällig: Die Maschinen der Deutschen natürlich
blitzeblank, neuwertig und makellos. Die
der Ausländischen mit Kratzer, etwas ausgeblichen, gebraucht eben. Mit großem Sirenengeheul ging es für sie
durch die Straßen Kulmbachs.
Viele Zuschauer säumten die vorgegebene
Rundstrecke. Einige brachten sich sogar ihre Campingstühle oder Hocker mit. Sie
strömten nach der etwa einstündigen und endlosen Prozedur zum Brauereigelände, dem bereits
beschriebenen Festareal. Langsam
beschleicht einen der Hunger, die Masse an Frühstück gab es am Morgen nicht, im
Gegenteil. Wie auf jedem Volksfest gab es hier die gesamte Palette der
Fresskultur. Von de Pizza und dem Langos, über Fischspezialitäten bis zu den einheimischen Grillspezialtäten
war alles, mehr als genügend, im
Angebot. Anstehen muss man überall. An
einer der Bratwurstbuden stelle ich mich an. Kulmbacher Bratwürste gönne ich
mir, serviert in einem Kümmelbrötchen. Leckere Angelegenheit, dementsprechend
sind sie schnell verputzt. Hinsetzten kann man sich nirgends, alle
aufgestellten Bänke sind besetzt. Darum lassen wir uns auf der Wiese nieder,
machen es anderen nach. Kurz vorher noch ein süffiges Radler gekauft. Logisch
von der Biermarke Kulmbacher. Nebenbei hört man Nullinger‘s Geplappere von der
Antenne-Bayern-Bühne, die auch hauptverantwortlich durch das bunte Programm mit
ihren Moderatoren führen. Wie die jetzt genau heißen, keine Ahnung, man muss ja
nicht alle kennen. Nur den Nullinger kenne ich aus dem Radio. Das läuft den
ganzen Tag auf Arbeit.
Zwischendurch dann immer wieder die bereits erwähnten
Programmhighlights. Eins habe ich noch nicht erzählt: der Speed Globe. Das
kennen die meisten bestimmt schon aus diversen Actionshows aus dem
Fernsehen. Live hat das nochmal einen anderen Charakter. In diesem runden Stahlkäfig mit einem Durchmesser von
geschätzten 3 Metern fahren sich erst 2 Verrückte mit ihren Enduros um die
Ohren, danach dann die Steigerung mit drei Akteuren. Wahnsinn, wie eng sie
aneinander vorbeifahren, wie knapp das ist. Ein Fehler und es kann böse Folgen
haben. Aber Faszination für die
Zuschauer, die mit offenen Mündern staunend das Geschehen verfolgen. Immer wieder ziehen dunkle Wolken am Horizont
auf. Der boeige Wind bedeutet wettertechnisch meist nichts Gutes. Es
tröpfelt ab und an. Doch richtig regnen
mag es nicht. Zum Glück. Trotzdem vertreibt es einige Besucher frühzeitig. Uns
nicht und werden dafür belohnt.
Die Sternfahrt, eine traditionsreiche Veranstaltung, die
zehntausende Motorradfreaks und Zuschauer anzieht . In dem bunten und
abwechslungsreichen Programm ist für jeden etwas geboten, viel Show und
Spektakel mit großer Vielfältigkeit. Ein Volksfest. Der Staat nimmt seinen
Einfluss, will mit allen Mitteln das Thema Sicherheit in die Köpfe förmlich einprügeln. Dadurch entsteht ein
Eindruck von Kommerz, schreckt natürlich
auch ab. Hells Angels, Bandidos oder andere Biker aus der milieuhaften
Rockerszene wird man selten sehen, bis überhaupt nicht. Großartige
Veranstaltung, bei der die Fahrer ihre Muskeln spielen lassen und zeigen, was
man hat. Kulmbach präsentiert sich dabei von seiner besten Seite, sie hat nicht
nur die Sternfahrt zu bieten. Altstadt, die Museen und die Plassenburg lassen
keine Reize vermissen. „Die heimliche
Hauptstadt der Biere“ und „Die heimliche
Hauptstadt der Biker“ warten darauf entdeckt zu werden. Die Sternfahrt bietet
dazu einen idealen Anlass.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen