Rijeka, die alte Industriestadt
Kroatiens. Unsere Reise dorthin führt uns ab Postojna durch das
Hinterland zur slowenisch-kroatischen Staatsgrenze Rupa. Zeit muss
man allerdings mitbringen. Auf der Landstraße mit wenig
Überholmöglichkeiten schlängelt sich der Verkehr dahin. Es zieht
sich. LKWs, Wohnmobile, Autos mit Anhängern voll Boote oder
Motorräder verstopfen die zweispurige Strecke. Besonders zur
Reisezeit. Nämlich dann, wenn die Invasion deutscher Urlauber
beginnt. Jedes zweite Auto besitzt ein deutsches Kennzeichen.
Irgendwie unbehaglich. Obst- und Gemüsehändler bieten unterwegs
ihre Waren am Streckenrand an. Die Gelegenheit nutzen wir. 500 Gramm
Kirschen kaufen wir uns beim perfekt Deutsch sprechenden Händler. Er
wäscht sie uns freundlicherweise.
Kurz vor der Grenze tauschen wir noch
Geld. Kroatien gehört zwar seit dem 1. Juli 2013 zur Europäischen
Union, aber natürlich nicht zur Währungsunion. Heißt, bezahlen mit
Euro ist nicht machbar. Ein Kuna entspricht 13 Cent. Hmm, machen wir
es einfacher. Ein Euro sind 7,6 Kuna. In den Wechselstuben vor der
Grenze, aber auch im Landesinneren beträgt der Kurs meist glatt
sieben Kuna. Ein kleiner Beschiss. Jeder will am Tourismus Geld
verdienen, es gibt ungerechtere Dinge.
Die Staatsgrenze wartet auf uns, die
Schlange ist noch überschaubar. Wieder diese deutschen Kennzeichen,
ab und an mischen sich Österreicher, Italiener, Slowenen und
vereinzelt Kroaten dazwischen. Kontrolle. Die slowenischen Beamten
lassen uns ohne Bedenken durch, warum sollten sie auch. Das ändert
sich. Die kroatischen Kollegen sehen das anders. Ich muss nur zu
meiner Schande gestehen, dass ich daran nicht schuldlos bin. In der
Annahme, dass die gute Frau uns ohne Passkontrolle durchlässt, fahre
ich an ihr fast vorbei. Im letzten Moment halte ich doch an. Es ist
klar, was danach kommt. Bitte rechts auf die Seite. Typische Frage
natürlich: „Haben Sie Alkohol dabei?“. Unsere Antwort mit einem
Lächeln: „Nein“. Nächste Frage:“ Haben Sie Zigaretten
dabei?“. Unsere Antwort:“Nein“. Wir sind entspannt, haben
nichts zu befürchten, in der Gewissheit keine Verstöße begangen zu
haben, egal gegen was. Sie ist ganz verwundert, ihre Einschätzung
schlug fehl. Nach einem kurzen Frage-Antwort-Spiel bezüglich unser
Reiseplanung gewährt sie uns den Durchlass.
Bis Rijeka sind es 20km. Sechs Kuna
Autobahnmaut müssen wir entrichten. Dafür sind sie perfekt
ausgebaut, keine Ruckeln, kein Schlagloch. Viele zweigen in die
vielen, vielen Urlaubsorte nach Istrien ab. Die Autobahn leert sich.
Wir wollen erstmal ans Meer, die
Spätnachmittagssonne uns auf die Bäuche und Rücken scheinen
lassen. Eine Herausforderung, einen geeigneten Platz auf die Schnelle
zu finden, unvorbereitet wie wir sind. Sandstrand gibt es an der
kroatischen Küste nicht. 15Km hinter Rijeka reicht es uns. In Bakar
machen wir Stopp. Handtücher heraus, die Badehose angeschnallt und
die Sonne genießen. Ach ja, das Eincremen darf man trotzdem nicht
vergessen, wichtig. Der schönste Platz ist es jetzt nicht, neben
einer Werft für kleine Segel- und Motorboote sowie Yachten,
gegenüber der Lärm der Kohleentladestelle. Auf den Betonplatten
einer ehemaligen Bootsanlegestelle lassen wir uns nieder. Die Kinder
spielen mit ihren Eltern und Großeltern ein paar Schritte entfernt
von uns. Ein Opa fischt mit seinem Enkel, für das Abendessen sorgen
die beiden schon. Eigentlich ist Bakar mit seinen 8000 Einwohnern,
denkt man gar nicht, idyllisch gelegen. Die Bucht, die den Namen der
Stadt trägt, ist im hinteren Teil durch die steilen, felsigen
Abhänge der Küste gekennzeichnet, im vorderen Bereich gibt es nicht
wirklich Natur, die Industrie hat dort das Sagen. Die
umweltverschmutzende Kokerei ist zum Glück geschlossen. Die
Raffinerie und die Kohleentladestation mit den alten Frachtschiffen
ist allgegenwärtig, deren Lärm tagsüber zumindest immer
wahrnehmbar. Der Ort lebt wirtschaftlich davon, Tourismus spielt
dadurch keine Rolle.
Die mittelalterlich geprägte Altstadt
mit den Häusern von Handels- und Kaufleuten, den engen Gassen
voller Treppen und Stufen sowie die große Pfarrkirche mit dem direkt
umliegenden Ensemble weiß zu gefallen. Das Kastell über der Stadt,
von unserer Liegeposition bestens zu sehen, ist Zeugnis einer doch
langen und bewegten Geschichte. Unter dem adriatischen
Adelsgeschlecht der Frankopanen als wichtiger Handelsort im
Mittelalter empor gestiegen, fiel es im 18. Jahrhundert an
Österreich, die es auch als strategischen Ort für die
Schiffsindustrie betrachteten. Doch Bakar verlor an Bedeutung, wurde
immer verschlafener, immer verlassener. Der große Tito, Jugoslawiens
späterer Diktator, saß in dem kleinen Städtchen 1927 in Haft, als
politischer Gefangener. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts tritt Bakar
nicht mehr spektakulär in Erscheinung. Man versucht sich
verschiedene Wirtschaftszweige aufzubauen, teils heute noch zu sehen,
wie zum Beispiel die schrägen Holzleitern für den Thunfischfang,
die steilen Weinbauterrassen oder die Kokerei. Immer auf der Suche
nach Geld und Wohlstand.
Nach über einer Stunde faulem
Herumliegen raffen wir uns langsam wieder auf, die Sonne hat uns gut
getan. Entlang der Küste fahren wir nach Rijeka. Alles ist bebaut,
wenig grün, kein Strand. Die Raffinerien, Schiffswerften und
Verladestationen sind charakteristisch für diese Stadt. Rechts von
uns am Berghang ragen die Plattenbauten heraus. Nein, sie thronen
über allem, über der Stadt, immer mit Blick auf das Meer. Damit
sind wir bereits bei der äußerlichen Charakteristik. Ihre
Ausrichtung des vergangenen Jahrhunderts ist mehr als deutlich. Noch
heute ist sie die wichtigste Hafenstadt Kroatiens. Der Zugang zum
Meer ist gerade für Österreich und Ungarn, die einen Freihafen
besitzen, von enormer Bedeutung. Zudem spielt der Schiffsbau eine
eminent wichtige Rolle für die Bürger Rijekas. Er brachte ihnen im
18. Jahrhundert Wohlstand und Vermögen. Das war einmal. Werft um
Werft musste schließen. In der Gegenwart muss man kämpfen, kämpfen
um den Erhalt dieses Industriezweiges. Die sinkende Konjunkturlage
hat ihre Spuren in der Stadt hinterlassen. Sie erstrahlt nicht im
neuesten Glanz. Der Zahn der Zeit nagt, das merkt man. Wir parken
direkt am Meer, die Plätze im Hafen sind um die abendliche Zeit
kostenlos. Wir fragen bei Passanten extra nochmal nach. Die riesigen
Kreuzfahrtschiffe fallen sofort ins Auge, gigantische Maschinen, die
von Kontinent zu Kontinent über die Ozeane fahren. Nebenan können
die frisch gewienerten Yachten mit der Größe natürlich nicht
mithalten. Sie stechen mit ihrer millionenschweren Exklusivität
hervor. Luxus pur. Ein krasser Gegensatz, die Einwohner versuchen
ihren Alltag bestmöglich zu bestreiten und am Hafen logieren die
Reichen. Über die Straße namens Riva hinweg geht es in den
Stadtkern., direkt zur Flaniermeile und Hauptschlagader Rijekas, der
Korzo. Ab dem Jadrinski-Platz führt sie parallel zur eben genannten
Uferstraße zum Kroatischen Platz. Breit angelegt, links und rechts
säumen Boutiquen und Geschäfte aller Art.
Orientalische Musik hören wir aus
einiger Entfernung. Ein Umzug zieht durch die Straßen Rijekas. Wir
treffen auf dem Korzo auf ihn. Gläubige feiern einen Ehrentag ihrer
Religion. Welchen? Wir wissen es nicht. Möglicherweise sind sie
buddhistisch. Schwer zu sagen. Gläubige in Seidengewändern und
bunten Tüchern, Bauchtänzerinnen und Schaulustige begegnen uns auf
dem Korzo. Im Hintergrund immer diese laute orientalische, indische
Musik. Höhepunkt des Umzuges ist der bunt geschmückte Wagen mit
der Abbildung eines Gottes oder Schutzheiligen. Von den Teilnehmern
wird er durch die Straßen gezogen. Freudig wird um ihn getanzt.
Manche versuchen uns anzusprechen, wollen Hefte verkaufen oder Flyer
an uns verteilen. Viele verhalten sich, wie wenn sie sich Pillen
eingeworfen hätten. Unheimlich. Wir wiegeln ab. Auch im Nachhinein
konnten wir nicht klären, welches Fest , welcher Tag gefeiert wurde.
Surf'n Fries heißt ein
Schnellrestaurant. Wir sind überrascht, die Bedienung spricht
perfekt Deutsch. Kein Wunder, sie habe ein paar Jahre in Deutschland
gelebt. Ein kleiner Small Talk entwickelt sich. Cheeseburger mit
Pommes und Cola gönnen wir uns. Nicht gerade gesund, aber satt macht
es. Gemundet hat es auch, das Brötchen zwar etwas pappig, aber alles
im Rahmen. Wollen wir nicht das Haar in der Suppe suchen.
Am Kroatischen Platz biegen wir für
einen kurzen Abstecher links ab. Wir durchlaufen das Säulenportal
zum Platz der Resolution von Rijeka. Mit dem Municipal-Palast und der
gegenüberliegende Kirche des Hieronymus hat er zwei Hingucker, die
es anzuschauen gilt. In der ehemaligen Mädchenschule ist die
heutige Universitätsbibliothek untergebracht. Der Intellekt von
heute und morgen trifft sich in dem Gebäude zum Studieren und
Lernen. Immer noch befinden wir uns im Herzen der Stadt. Zurück zur
Korzo. Es ist kein Prachtboulevard, es ist nicht mondän, bei weitem
nicht. Nicht vergleichbar mit Perlen der Adria wie Venedig, Dubrovnik
oder Split. Der Glanz aus vergangenen Tagen ist irgendwie erkennbar.
Prunkvolle Gebäude gibt es immer noch, wenn auch mit einigen Makel
da und dort. Egal. Am Ende der Korzo biegen wir links ab. Über den
Platz Grivica und einem Schulhof, wo gerade ein leidenschaftlicher
Straßenkick von jungen Fußballern stattfindet, kommen wir zum Park
Nikola Hosta. Vorher nur noch die breitspurige Verkehrsader Zvatra
fazisma überqueren. Es ist sozusagen das Museumsareal Rijekas.
Stadtmuseum, Naturwissenschaftliches Museum mit einer Sammlung von
über 50000 Exponaten und Marinemuseum sind auf engstem Raum
erreichbar. Kurze Wege nennt man das. Das Computermuseum Peek &
Poke ist auch gleich um die Ecke zu besichtigen. Zur abendlichen Zeit
des Sonnenuntergangs ist natürlich keines mehr geöffnet, der Reiz
danach war nicht allzu groß. Am Platz Klobuca-Revica, einem kleinen
grünen Park schlendern wir zurück in Richtung Meer. Entlang des
Kanals, in dem Ruder- und Fischerboote ihren Anlegeplatz haben. Alle
zweckmäßig, alle gebraucht.
Von hier unten hat man eine
hervorragende Sicht auf den Hausberg, den Trsat. Dort oben befindet
sich eine Burg, die im 13. Jahrhundert bereits entstanden ist. Der
Berg ist eine der ältesten Wallfahrtsorte Kroatiens. Die Kirche der
seligen Jungfrau Maria gilt als Heiligtum unter den Christen und
lockt zahlreiche Pilger jährlich an. Angeblich soll 1921 das
Geburtshaus der Jungfrau Maria aus Nazareth nach Trsat versetzt
worden sein, von Engeln natürlich. Nebenan im Franziskanerkloster
sind einige Reliquien der Kunst untergebracht. 538 Stufen führen
hinauf. Ein gewisser Petar Kruzic ließ sie 1531 bereits errichten
und im Verlauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte erweitern. Seitdem
wird dieser Pilgerweg gehuldigt. Naja, wer daran glaubt, warum nicht.
Wir sparen uns den Weg, haben nicht
mehr den letzten Elan hinaufzumarschieren. Wir gehen weiter.
Das Theater. Das Nationaltheater.
Angeblich das Beste des Landes. Ein repräsentativer Bau in
ockergelb. Groß, stilvoll, einnehmend. Im Jahre 1885 erbaut, von
Wiener Architekten entworfen. Hinter dem Gebäude wird es weit
weniger repräsentativ. Rund um die Markthallen wird es anders. Es
stinkt unangenehm, der Müll liegt auf den Straßen und in den Ecken.
Die dunkelroten Fabrik- und Wohnhäuser sind mit Grafiti beschmiert.
Es macht alles einen etwas dreckigen Eindruck. Doch die Arbeit tobt
hier, man kann sich vorstellen welch Treiben und Aufregung in den
Hallen herrschen. Jeder ist auf der Suche nach der frischen Ware mit
möglichst bester Qualität. Man fühlt sich irgendwie unwohl, das
nur einen Katzensprung von der Altstadt entfernt. Schnell sind wir
daher wieder am Wasser.
Am Uferkai entlang lassen wir das Meer
in keiner Sekunde aus dem Auge. Es fasziniert mit seiner unendlichen
Weite und seinen kraftvollen Eigenschaften. Wieder Müll. Im Wasser
schwimmen Essensreste, Plastiktüten und Dosen. Widerlich. Die
nächste Bank gehört uns. Wenn man da so sitzt, weiß man, warum es
die meisten Reisende Urlaub für Urlaub an das Meer zieht. Viele
Minuten vergehen. Die Sonne geht unter, wir zum Auto. An der Riva
angelangt. Der neobarockische Palais Modello ist das letzte
sehenswerte Gebäude auf unserem über zweieinhalbstündigen
Stadtrundgang. Rijeka, ein anderes Kroatien an der langen Adriaküste.
Kaum beeinflusst und geprägt vom boomenden Tourismus nördlich und
südlich der Stadt, höchstens als Ausflugsziel. Die Stadt ist dafür
nicht geschaffen.
Sie ist Industriestandort. Unverblümt
bekommt man die wirtschaftliche Situation Kroatiens zu sehen. Der
Kampf um wirtschaftliche Stabilität, den Erhalt von tausenden
Arbeitsplätzen und Verbesserung des Lebensstandards. Der Zustand ist
deutlich sichtbar, auch insgesamt vom kroatischen Land. Die
Abhängigkeit vom Fremdenverkehr und der Rückgang des traditionellen
Schifffahrtszweig stehen stellvertretend dafür. Darum finde ich
Rjieka so interessant. Weil eben nicht alles Friede, Freude,
Eierkuchen ist.
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