Das Salzbergwerk Wieliczka, seit jeher
ein Anziehungspunkt für Touristen. Nur 15km von Krakau entfernt. Im
gleichnamigen Städtchen, das mit seinen 21000 Einwohner nicht nur im
Speckgürtel Krakaus liegt, sondern natürlich zusätzlich von diesem
Touristenmagneten. Die Entwicklung einer ganzen Stadt wurde von
diesem omnipräsenten Salzbergwerks bestimmt. Das führte zu großem
Reichtum im 16. Jahrhundert, der in den folgenden Zeit nachließ.
Auf den vierspurigen Schnellstraßen
benötigen wir mit dem Auto 25 Minuten. Recht fix. Zu verfehlen ist
es so oder so nicht, diverse Schilder weisen den Weg direkt vor den
Eingang,
Ein durchaus imposantes
Eingangsgebäude. Die Stahlkonstruktion des Förderturms ragt in die
Höhe.
Wir gehen hinein. Bahnhofsatmosphäre.
Die nächsten Führungen in den verschiedensten Sprachen werden auf
großen Hinweistafeln angezeigt. An den Schaltern können Tickets
erworben werden. Die unzähligen Mitarbeiter sind augenscheinlich in
feinen Kostümuniformen ausgestattet. Sehr adrett.
Es ist nachmittags 15 Uhr. Die nächste
Führung in Deutsch findet erst in zwei Stunden statt, die in
englischer Sprache in bereits 20 Minuten. Die Entscheidung musste
nicht lang überlegt werden. Englisch, zum Großteil verständlich
für uns. 168 Zloty kostet der Spaß, inklusive Fotogebühr.
Nach kurzer Wartezeit sind wir an der
Reihe. Eine kleine, zierliche Polin ist unsere Führerin. Sie begrüßt
uns freundlich in perfektem Englisch, mit typisch charmanten,
osteuropäischen Akzent. Über einen Guide können wir sie jederzeit
verstehen und hören, was sie uns erklärt.
Vorher müssen wir Treppen steigen,
viele davon. Zum Glück nur hinab. Über 200 Stufen. Gegen Ende ist
mir schwindelig, nahezu wie im Karussell fühle ich mich. Unten
angekommen, in 135 Meter Tiefe, legt sich das glücklicherweise rasch
wieder. Angenehme 15 Grad herrschen hier unter Tage. Eine schnelle
Einweisung noch und die Tour startet. Zwei Stunden wird sie dauern,
alles zu Fuß.
Ein Salzbergwerk überdimensionaler
Art. Vier Quadratkilometer groß. Ein riesiges Netz an unterirdischen
Gängen. 300km lang. Eine Woche bräuchte man dafür. Ein Labyrinth.
Unmassen an Holz, Millionen von Stämmen, wurden verbaut, zur Stütze
und Sicherung. An der Seite kann man das weiße Gold teilweise in
dicker Schicht sehen. Fast schon ablecken. Immer wieder müssen wir
durch große Türen hindurch, die verschiedenen Bereiche voneinander
trennen. Auch um das ausgeklügelte Belüftungssystem, es ist nicht
zu überhören, in Gang zu halten.
Ein extrem touristisch erschlossenes
Bergwerk, die Ursprünglichkeit ist irgendwie verloren. Der Andrang
ist ungebremst. Eine wahre Maschinerie.
Auf dem Weg sind mehrfach Szenarien aus
vergangenen Tagen des Salzabbaus dargestellt. Die Bergmänner
mussten schuften. Echte Knochenarbeit. Über 10 Stunden, kein
Tageslicht. Pferde mussten die schweren Salzkarren kilometerlang
ziehen. Bewährte Hilfe, allerdings erst seit dem 17. Jahrhundert.
Später kamen industrialisierte Maschinen hinzu, erleichterten das
Leben unter Tage. Auch jene werden präsentiert.
Einzelne Räume bekamen einen Namen.
„The Upper Urszula Chamber“ ist so einer.
Das Verbrennen von Methan, was für die
Arbeiter hoch gefährlich zu damaligen Zeiten war und viele Tote
forderte, wird mittels Lichtshow eindrucksvoll inszeniert. Für den
Besucher wird insgesamt einiges geboten. Sehr anschaulich.
Einige Sagen ranken sich um das
Salzbergwerk. So auch die um Kinga, zu Deutsch Kunigunde, die sich in
einer plastischen Darstellung wiederfindet. Die ungarische
Königstochter und spätere Ehefrau Bolesaus' dem Schamhaften, ein
herrlicher Beiname, soll einen Ring in eine Salzmine in Siebenbürgen
geworfen haben, den sie als Mitgift von ihrem Vater erhielt. Kurz
nach ihrer Ankunft in Polen entdeckte man jene riesigen
Salzlagerstätten und jenen Ring, der in Siebenbürgen in die Mine
geworfen wurde. Die Schutzpatronin Polens sollen eng mit der
Entdeckung der Salzmine unter Tage in Verbindung stehen. Als die
oberirdischen Salzquellen im 13. Jahrhunderte erschöpft waren,
musste man neue Stätten erschließen. Unterirdisch war die einzige
Alternative. Daher entdeckte man nach kurzen Suchen die
Steinsalzlagerstätte. Die Grundlage für weitere Jahrhunderte
Salzabbau. Als Königliche Salinen war der Stollen das größte
Bergbauunternehmen in Polen. Ein Drittel der Einnahmen erwirtschaftet
der Staat mit dem Salzbergwerk Wieliczka. Diese wurden unter anderem
für den Bau des Krakauer Wawels genutzt.
Viele berühmte Persönlichkeiten
besuchten die Salzmine. So auch Frederic Chopin, der weltberühmte
Komponist. Ihm wird natürlich ein Raum gewidmet. Sein Wirken, seine
Musikwerk machen die Polen stolz. Eine Statue ist Zeugnis dieser
Huldigung. Sogar Johann Wolfgang Goethe, der zeitlebens an Bergbau
stark interessiert war, besuchte Wieliczka, einen „Weimar-Stollen“
gibt es sogar. Die Statue Goethes darf natürlich nicht fehlen.
Immer wieder durchlaufen wir lange
Stollengänge. Das Salz ist dabei unser ewiger Begleiter.
Ein Raum mit einer riesigen Höhe
erwartet uns als nächstes. Hundert Meter geht es in die Tiefe. Um
das herausgeschlagene Salz herauf zu bugsieren, wurde eine einfache
mechanische Vorrichtung benutzt. Einen Seilzug, von Menschenhand
betrieben. Klar, die Touristen dürfen sich daran ausprobieren. Die
Freiwilligen vorne weg. Übereifrige gibt es immer. Wir schauen uns
das Prozedere entspannt an. Spaß haben sie jedenfalls dabei, die
Schubvorrichtung im Kreis anzudrehen. Nach wenigen Umdrehungen haben
sie es geschafft, den Eimer, nicht gefüllt mit Salz, nach oben zu
bringen.
Wir steigen die Holztreppen hinab.
Viele Stufen. Erneut eine eindrucksvolle Konstruktion. Nur Holz.
Überall, wo man hinsieht. Mittlerweile sind wir auf der zweiten
Sohle, im bergmännischen Fachjargon zweites Untergeschoss,
angelangt. Wer nun noch keine Fotogebühr entrichtet hat, wird es
spätestens jetzt tun. Jeder fotografiert. Man hat gar keine andere
Wahl. Besonders bei dem, was uns speziell noch erwartet.
Wir kommen in eine kleine Kapelle. Die
Arbeiter errichteten sich eine Kapellen. Altare, an denen sie zu
ihrem Gott beten konnten. Sehr gläubige Menschen sind die Polen,
früher wie heute.
Kingakapelle – das Glanzstück
Dem Highlight nähern wir uns
allmählich. Dem, warum diese Salzmine so weltberühmt ist. Die
Kingakapelle. Ein Traum. Wunderschön. Mächtig beeindruckend. Über
32 Jahre haben sie dafür benötigt, hundert Meter unter Tage, eine
gewaltige Kapelle zu errichten. 55 Meter lang, 18 Meter hoch. Der
Altar, die verschiedenen Reliefs zur Darstellung abendländischer
Themen, wie die Abbildung des letzten Abendmahls zeugen von großer
Kunst. Gegenüber dem Altar befindet sich die Statue von Johannes
Paul II. Die prächtigen Kronleuchter setzen das pompös in Szene.
Uns lässt das nicht kalt. Wir setzen uns, genießen den grandiosen
Anblick, lassen es wirken. Fünf Minuten Pause. Jeder darf sich
umschauen, kleinste Details bewundern. Das Licht geht aus, die Show
beginnt. Laser und Licht setzten die Kapelle brilliant in Szene. Aus
dem Staunen kommt man nicht mehr heraus. Viel zu schnell ist die Zeit
vergangen, die zierliche Führerin drängelt bestimmend. Noch heute
wird die Kapelle für Veranstaltungen genutzt, Paare können für
einen stattlichen Preis ihre Hochzeit zelebrieren. Ein letzter Blick.
Mit einem Hauch von Wehmut geht der
Rundgang unter Tage weiter. Mittlerweile sind wir über eine Stunde
unterwegs. Draußen müsste es bereits dunkel sein. Weiter geht es
hinunter. Wir erreichen den Raum mit der höchsten Deckenhöhe. Eine
massive Holzkonstruktion stabilisiert das Gesamte. Tonnen von Holz,
mit weißer Farbe angestrichen. Imposant.
Zeitgleich gelangen wir zum tiefsten
Punkt. Damit langsam dem Ende entgegen. Die „Josef-Pilsudski-Grotte“.
Ein kleiner Salzsee hat sich angestaut. Noch heute ist das liebe
Wasser ein Thema, ein durchaus bedrohliches. Ein Wassereinbruch im
Jahr 1992 löste einen Tagebruch aus. Zum Glück konnte man das
Kulturdenkmal retten, verhinderte einen Einsturz. Man förderte von
nun an das Wasser nach oben. Daraus wurde sogar noch Siedesalz
gewonnen. Noch heute gewinnt man es auf diese unkonventionelle Weise.
Der reine Salzabbau wurde folglich ein Jahr später eingestellt.
Kunigunde, die Schutzpatronin des
Bergwerks, sie hat wirklich eine eminent wichtige Aufgabe, kann hier
nochmals angebetet werden. Wir genießen die letzten Eindrücke. Es
ist das letzte Highlight auf unserer Reise durch das unterirdische
Salzbergwerk von Wieliczka.
Klar, am tiefsten Punkt kann man noch
einmal richtig shoppen. Souvenirs aller Art kann man in dem kleinen
Lädchen, hundert Meter unter Tage, erwerben. Allen voran jegliche
Sorten und Geschmacksrichtungen von Salz. Weißes Gold zur
Dekorationen in die heimische Vitrine oder zum Kochen und Würzen
natürlich.
Unsere zierliche Führerin
verabschiedet sich nun von uns. Wir applaudieren ihr ganz artig.
Abschließend verrät sie uns noch das Prozedere, um ans Tageslicht
zu gelangen.
Der Weg nach oben dauert länger als
gedacht. Wir haben mittlerweile über zwei Stunden auf dem Tacho. Am
kantinenartigen Restaurant vorbei, führt uns der Weg zum Aufzug, der
uns noch einmal nach oben befördert. Dort heißt es erst einmal
warten. Noch können wir uns entscheiden, ob wir ans Tageslicht
wollen oder einen Abstecher ins Museum unternehmen. Die zwei Stunden
haben uns geschlaucht. Die Birne ist leer. Kurze Überlegung. Wir
entscheiden uns, die Reise durch die Welt des Salzbergwerks Wieliczka
zu beenden. Mitten drin in einem von der UNESCO geschützten
Weltkulturerbestätte. Eine andere Dimension, auch im Hinblick auf
die Maschinerie des Tourismus.
Ab in den Aufzug, wenn man es als
solchen nennen kann. Eine winzige Zelle aus Gittern, in der wir uns
hineinzwängen. Platzangst ist hier fehl am Platz. Augen zu und
durch.
Die Auffahrt dauert nur wenige
Sekunden, die Türen werden geöffnet. Das grelle Licht der
Eingangshalle empfängt uns. Draußen ergreift wieder die Dunkelheit
die Gewalt. Auf dem Weg zum Parkplatz sehen wir, ungefähr 500m
Luftlinie entfernt, ein Zeugnis aus vergangenen Tagen, das Schloss
von Wieliczka. Wundervoll beleuchtet.
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