02 Juni 2015

Nur Nebel auf dem Riesen (Teil 4)


Die Schneekoppe, der höchste Berg des Riesengebirges, der höchste Berg Tschechiens. 1603 Meter hoch. Ein Riese unter den Mittelgebirgen Europas. Wir wollen ihn erklimmen. Mit der Seilbahn.

Ausgangspunkt dafür ist das Örtchen Pec pod Snezkou. Direkt am Fuße der Schneekoppe. Am Ende eines Tals gelegen, ist Pec pod Snezkou nur von Bergen umgeben. Eine Straße führt in das Aupatal hinein und wieder hinaus. Gegründet wurde er im 16. Jahrhundert, von Österreichern, die das Holz für ihre Bergwerke in der Heimat benötigten. Erst Ende des 19. Jahrhundert setzte sich der Tourismus als Wirtschaftsfaktor in Gang. Alles ist in dem 600 Seelendorf auf den Fremdenverkehr ausgelegt. Hotels, Pensionen und Appartements bestimmen das Bild auf weitem Flur, manche stechen förmlich heraus. Prachtvolle Sehenswürdigkeiten architektonischer Art gibt es nicht. Einige landestypische Holzhäuser sind die herausragenden Gebäude. Der Ort lebt von der Natur. In der kalten Jahreszeit ist Pec ein beliebter Wintersportort. Im Frühjahr, Sommer und Herbst erwartet den Besucher ein wahres Wanderparadies mit weit verzweigten Wegenetzen. Aktivurlaub pur an erfrischender Luft. Wer Abwechslung braucht, kann sich auf der Sommerrodelbahn oder im Adventure Park austoben. Ganz in der Nähe der Seilbahnstation zur Schneekoppe.











Das Wetter ist alles andere als berauschend. Dichter Nebel hängt knapp oberhalb der Gemeinde in den Bergen. Weite Sicht ausgeschlossen. Schnee liegt auch nicht. Nach Winter im Dezember sieht das nicht aus, eher wie verspäteter Spätherbst. Trotzdem wollen wir hinauf, auf 1600 m.

Früher ging nur ein Sessellift zum Gipfel hinauf. Von 1949 bis 2012 erfüllte sie ihre wertvollen Dienste, brachte Millionen Menschen auf die Schneekoppe. Zwischenzeitlich wurde der Betrieb immer wieder eingestellt, Sicherheitsmängel mussten behoben werden. 2012 war der Sessellift zu veraltet. Abriss und Neubau, diesmal eine Gondelbahn. 2 Jahre Bauzeit und 300 Millionen Kronen wurden investiert. Allerhand. Die alpinen Wetterbedingungen erforderten es. Das werden wir gleich zu spüren bekommen.

Die moderne Talstation erwartet uns schon. Ein Glasbau, offen und hell gestaltet. An der Anzeigetafel wird uns die Temperatur im Tal und auf dem Gipfel verraten, zusätzlich zu den aufgeführten Wanderwegen und dem Verlauf der Seilbahn auf der Karte. 15 Euro kostet der Spaß, pro Person. Nicht billig, aber gut, irgendwie muss sich die Investition amoritisieren. Warm angezogen sind wir, könnte ziemlich frostig werden. Noch dürfen wir nicht einsteigen. Erst um 13 Uhr möglich. Warum? Naturschutz. Es dürfen maximal 250 Menschen pro Stunde befördert werden. Zur vollen Stunde geht es nach oben, die halbe nach unten. Unnötig, mit uns wollen nur noch 8 weitere den Gipfel erstürmen. 15 Minuten später sitzen wir zu viert, mit einem älteren Pärchen zusammen, in der Gondel. Eine gute Viertelstunde werden wir brauchen. Steil geht es nach oben, Höhenmeter um Höhenmeter.

Erst kommt der Rosenberg mit seinen 1350 m als Mittelstation. Wir sind noch innerhalb der Baumgrenze. Die Bauarbeiten haben ihre Spuren deutlich hinterlassen. Die Reifenabdrücke der schweren Maschinen sind Monate danach noch unverkennbar. Die Schneise zieht sich durch die Baumwipfeln. Ein eminenter Eingriff in die Natur. Je höher wir fahren, desto mehr Schnee tritt zum Vorschein. Aber auch desto nebliger wird es. Die Eiszapfen hängen an den Ästen herunter. Die Nadelzweige sind komplett in Eis gefroren. Langsam weichen die Bäume den Sträuchern und Büschen. Denen ergeht es ähnlich. Alles ist nun schneebedeckt. Deutliche Minusgrade.
Nach weiteren 8 Minuten erreichen wir den Gipfel der Schneekoppe. Komplett in dichtem Nebel verhüllt. Man kann kaum 20 Meter nach vorne schauen. Der Blick in den mehrere hundert Meter tiefen Riesengrund ist unmöglich. Die Gebäude sind nur mit Mühe zu erkennen. Extreme Wetterbedingungen herrschen hier. Starker Wind, teilweise orkanartig. Dazu Kälte unterhalb des Gefrierpunktes. Eiszapfen hängen von der Dachrinne herunter. Es ist eiskalt. Schnell gehen wir von Seite zu Seite, schauen uns die Gebäude an, sofern das möglich ist. Vegetation gibt es in dieser Höhenregion nur spärlich, die Bedingungen sind alpin, erinnern an das Hochgebirge, sowohl im Sommer als auch jetzt im Winter. Die Gebäude müssen einer dauerhaften, enormen Belastungen standhalten.
Mittlerweile haben wir die Staatsgrenze überschritten. Nämlich die zwischen Tschechien und Polen. Die Gipfelstation der Seilbahn endet auf tschechischem Gebiet, knapp. Darin integriert ist eine kleine moderne Gaststube, in der man warmes Essen und heiße Getränke zu sich nehmen kann. Nur wenige Treppenstufen nach oben und man überquert sie, die Grenze.
Es zieht uns ins Warme. Die polnische Bergbaude ist genau das Richtige für uns. Der futuristische Bau wurde in den 70er Jahren erbaut. Untergebracht ist darin ein Observatorium, eine meteorologische Wetterstation und eine Baudenwirtschaft. Die Warte sieht verlassen aus. Keine Menschen zu sehen, kein Licht brennt. Das Gasthaus hat geöffnet. Gott sei Dank. Zügig finden wir einen Platz am Fenster, auch wenn die Sicht kaum 20 Meter nach draußen beträgt. Gulaschsuppe und eine polnische Zurek schlürfen wir. Sehr deftig, sehr würzig im Geschmack. Die Zurek ist eine Spezialität der polnischen Küche. Eine Art Sauerteigbrühe, dazu geräucherten Speck. Wirklich gut. So verbringen wir über eine Stunde in der urigen Stube. Ein wenig Zeit haben wir, die Seilbahn geht erst zur Hälfte jeder Stunde wieder nach unten.

Die St. Laurentiuskapelle steht unmittelbar neben der Wetterwarte. Die wurde bereits um 1665 hier oben erbaut. So früh schon übte die Schneekoppe eine große Faszination auf die Menschen aus. Angeblich hatte im 15. Jahrhundert ein Kaufmann aus Venedig den Berg erklommen. Selbst der preußische König Friedrich Wilhelm II. und seine bessere Hälfte bestiegen den Riesen. Das war um 1800. Später soll sogar ein US-Präsident einen Reisebericht über den Riesen verfasst haben.

Die Abfahrt nach unten rückt näher. Mittlerweile sind es nur noch zehn Minuten. Die verbringen wir in der frostigen Kälte. Vereinzelt erreichen Bergsteiger bzw. Wanderer den Gipfel, haben dem Wetter und den Bedingungen getrotzt. Bewundernswert, mir juckt es bei dem Anblick in den Gliedern. Naja, Kleidung ist da die halbe Miete. Sie kommen oben an, wir fahren hinunter. Frostig war es, aber gelohnt hat es sich allemal.



































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