Nach zwei Nächten und drei Tagen in Zakopane geht es weiter. Weiter auf der Flucht. Nein, natürlich nicht. Die Hohe Tatra hat bei uns Eindruck hinterlassen. Ziel sind die Beskiden. Krynica-Zdroj, ein durchaus renommierter polnischer Kurort.
Es geht kurzzeitig zurück Richtung Nowy Targ, bevor wir rechts abbiegen. Von nun an fahren wir durch dünn besiedeltes Land. Der Dunjajec wird über weite Strecken unser Begleiter. Dieser Nebenfluss der Weichsel, mit 247 Kilometer beachtlich lang, der in der Hohen Tatra entspringt. Wo sonst. Beeindruckenden Nationlparks auf polnischer und slowakischer Seite gibt er durch seine Charakteristik ein Gesicht. Über 18km stellt er sogar die Staatsgrenze zwischen beiden Ländern. Schiffbar ist er durch seine Wildheit nicht. Darum diese erhaltene, ursprüngliche Natur. Gott sei Dank.
Debno ist ein kleines Dorf, unweit von
Nowy targ gelegen. Gemeinde technisch gehört sie auch zur
Hauptstadt des polnischen Hochlandes. Es liegt direkt am Dunjajec, in
einem Tal. Rundherum Erhöhungen der Beskiden, weites und sattes Grün
der Wiesen und Weiden. Doch eine besondere Schönheit besitzt das
700-Einwohner-Dorf Debno. Eines der wertvollsten Baudenkmäler
Polens. Die Holzkirche Erzengel-Michael. Sie stammt aus dem 15.
Jahrhundert. Das besondere daran, sie wurde ohne Nägel als
Hilfsmittel errichtet. Außen macht sie einen schlichten Eindruck, im
Inneren soll sie ungeahnten Reichtum an Malereien, Farben und Formen
haben. Ein UNESCO-Weltkulturerbe. Sie gehört zu einer Auswahl von
sechs Holzkirchen im südlichen Kleinpolen, die sich völlig von den
sonstigen Kirchen aus Stein in ihrer Architektur und Struktur
unterscheiden.
Debno schützt ein Damm vor den
Wassermassen des Jezioro Czorsztynskie. Beide Flüsse, der Schwarze
und Weiße Dunjajec fießen gleichzeitig zusammen und wird als ein
Fluss angestaut. Ein üppiger Stausee, der sich über ein bis zwei
Kilometer erstreckt und sich wunderbar in das Tal mit den umliegenden
Hügeln schmiegt. Ein tolles Landschaftsbild. Die Bewohner der
winzigen Dörfer Maniowy und Kluszkowce haben das tagtäglich vor
Augen. Dabei sind wir noch gar nicht einmal weit von der
polnisch-slowakischen Staatsgrenze entfernt. Die ist beinahe in
Sichtweite.
Den Dunjajec haben wir verlassen. Für kurze Zeit. Der schlägt einen großen Bogen. Auf enger Dorfstraße quälen wir uns landein durch die Beskiden. In einer waldreichen Landschaft. Der polnische Nationalpark Pieninen umfahren wir zu unserer rechten Seite. Die nackten Felswände der Berge sind charakteristisch. Auf einer traditionsreichen Floßfahrt kann das Naturschutzgebiet mit einer breiten Artenvielfalt hautnah und umweltfreundlich erleben. Entlang an steil aufragenden Kalksteinfelsen, durch tiefe Schluchten. Ein Abenteuer, welches wir uns heute entgehen lassen müssen. Mitte Dezember sind sie nicht im Angebot.
Im kleinen Kroscienko Nad Dunajcem
treffen wir urplötzlich wieder auf den prägenden Strom. Links oder
rechts? Links, wir folgen den Navi in Richtung Lacko. Der Dunjajec
ist erneut unser Begleiter. Immer an dessen Ufer entlang fahren wir
so bis Nowy Sacz. Unser schneller Blick auf die Karte bestätigt,
dass wir richtig sind. Ganz erschrocken sind wir als wir in dem
keinen Ort ein Auto mit deutschen Kennzeichen sehen. Das Siegel
deutet auf Baden-Württemberg. In diesen Gefilden, abseits der
Touristenorte rechneten wir nicht damit, war auch eine Ausnahme.
Nowy Sacz ist ein Zentrum im Süden
Polens. Mit über 80000 Einwohnern hat man eine stattliche Größe.
Damit ist man zugleich ein wichtiger wirtschaftlicher Standort für
das gesamte umliegende Gebiet, speziell im Dienstleistungs- und
Industriesektor. Mittelständische Unternehmen haben sich
angesiedelt. Überall sieht man Supermärkte, Einkaufscenter,
Baumärkte und sonstige Geschäfte. Geographisch gesehen, befinden
wir uns im Vorland der Sandezer Beskiden. Deren sanften Erhebungen
sind bereits zu erblicken. Der Dunjajec und die Kamienica, zwei große
prägende Flüsse, bestimmen das Bild unmittelbar. Die breiten
Flusstäler mit den Auen sind enorm. Das Flussbett ist nicht zum
Bersten gefüllt. Doch die Vorstellung fällt nicht schwer, was
abgeht, wenn das Schmelzwasser aus den Bergen und dem Umland in den
Dunjajec fließt, dessen Verlauf zu den schönsten Polen zählt. Ihn
haben wir bereits kennengelernt und eine ganze Zeit begleitet.
Kulturell hat Nowy Sacz durchaus etwas
zu bieten. Der Rynek ist das Nonplusultra der regionalen Hauptstadt.
Mit seiner Größe gehört er zu der größeren Sorte. Von dort führt
die Hauptstraße durch die passabel erhaltene Altstadt. Vorrangig
Restaurants, Geschäfte und Galerien sind an ihr entlang zu finden.
Mit der Heiligeist- und der Margaretenkirchen stechen zwei
Gotteshäuser besonders hervor. Mit der Alten Synagoge, die heute
also nicht mehr genutzt wird, sondern als modernen Kunstgalerie, ist
ein Überbleibsel aus dem ehemaligen jüdischen Ghetto des verhassten
Zweiten Weltkriegs. Nur in den Köpfen der Menschen hat er Spuren
hinterlassen, die dafür gewaltig.
32km sind es von Nowy Sacz bis zum
Kurort Krynica-Zdroj. Mitten in den Beskiden. Auf dem Weg dorthin
passieren wir kleine Dörfer und Städte. Frycowa, Maciejowa, Labowa
oder Nowa Wies sind darunter. Ein dünn besiedeltes Land.
Unaufregend. Meist geht es eben dahin. Links und rechts ertürmen
sich sanft die grünen, bewaldeten Berge. Erst als sich das
traditionsreiche Krynica Zdroj nähert steigt die Straße an. Die
Kolonne wird dadurch etwas dichter. Die Lkws kämpfen hier und da.
10Km vor der Staatsgrenze biegen wir rechts ab von der Bundesstraße.
Geradeaus wäre es in den Grenzort Muszynka. Nach über 130
Kilometern haben wir es fast geschafft. Gute 2,5 Stunden waren wir
unterwegs. Teilweise abseits der Zivilisation. Middle of Nowhere.
Vermeintlich. Eine viel besseren Querschnitt über die Region der
Sandezer Beskiden bekommt man nur kaum. Besonders landschaftlich.
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