Opole. Oppeln. Die größte deutsche
Minderheit Schlesien und Polens lebt in der 120000 Einwohner-Stadt.
Ein wichtiges Zentrum im schlesischen Raum. Das drittgrößte hinter
Breslau und Katowice. Zwischen ihnen liegt die historische Hauptstadt
Oberschlesien, das im Süden vom Sudetenvorland und im Norden von der
Tiefebene Südpolens begrenzt wird.
Als Gründer Opoles gilt der Herzog
Kasimir I., der im 13. Jahrhundert am Ufer der Oder eine
Kaufmannssiedlung aus dem Boden stampfte. Deutsche, Flamen und
Wallonen kamen in die neugegründete Stadt.Nach und nach entwickelte
sich Infrastruktur, Handel und damit gesellschaftlicher Alltag. Zu
Beginn des 15. Jahrhunderts fiel das Herzogtum den Habsburgern in die
Hände. Mittlerweile war Oppeln zu einem wichtigen Handelszentrum
aufgestiegen. Allen voran die schlesische Tuchweberei. Immer wieder
wechselten die Besitzer. Kontraproduktiv für eine Stadt.
Der
Dreißigjährige Krieg zerstörte die Stadt nahezu komplett. Oppeln
vegetierte vor sich hin. Bis zu jenen Jahren als mit der
Zugehörigkeit zu Preußen die Germanisierung Fabriken und
Manufakturen wurden gefördert. Ebenso der Häuserbau, Infrastruktur
weiter verbessert, Behörden etabliert. Anfang des 19. Jahrhunderts
war Opole schließlich ein Industrie- und Verwaltungszentrum. Der
Anteil der Deutschen überwog, Polen waren nur noch eine Minderheit.
Das 20. Jahrhundert kam. Beide
Weltkriege gingen vorüber. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die
Deutschen, nicht wie in anderen Gebieten, vertrieben oder
zwangsumgesiedelt. Sie erhielten ein Bleiberecht. Ein Grund dafür
war die vorherige Entwicklung eines slawischen Dialekts. Darum noch
heute der stattliche Anteil an Einwohnern mit deutschen Wurzeln. Um
die 2 Prozent soll der betragen.
Der Wiederaufbau begann. Die
Zementwerke wurden allmählich in Betrieb genommen, die neben der
Lebensmittelindustrie, unter anderem besitzt ein deutscher
Joghurthersteller ein Werk in der Stadt, ein Flaggschiff der Oppelner
Wirtschaft. Alte Häuser machten Platz für Grünanlagen, Bauwerke
wurden originalgetreu restauriert. Moderner Wohnungsbau, nach
sozialistischem Prinzip, schaffte Lebensraum.
Diesen prägenden Charakter ist noch
heute vorherrschend. Einfacher, günstiger und bezahlbarer Wohnraum
eben. 120000 Einwohner brauchen Platz.
Wir parken an der Straße Piastowka,
unmittelbar an der Brücke, die uns den Weg in die Innenstadt weist.
Von dort haben wir einen weiten Blick auf die breite Oder. Unter uns
der Kanal Mühlgraben, der sich nur wenige später wieder mit einem
der größten Ströme Europas vereinigt. Ursprünglich war der
heutige Nebenarm der Hauptdurchfluss der Oder. Zwischen beiden
befindet sich die Insel Pascheke. Jene, auf der wir eben parkten.
Direkt vor dem Regierungs- und Verwaltungsgebäude des Bezirks Opole.
Ein grauer Betonklotz. An jener Stelle stand einmal ein Schloss. Das
wurde abgerissen. Nur der sich daneben befindente Piatenturm ist ein
überlebtes Zeugnis aus den vergangen Tagen. 51 Meter ragt der gen
Himmel. Das besondere Merkmal ist die kegelförmige Spitze auf dem
runden Backsteinbau.
Wenige Minuten später, wenige Straßen
weiter gelangen wir zum Rynek. Bis hierher war die Architektur recht
unspektakulär. Normale Häuser reihen sich aneinander. Nur ein
Gotteshaus fällt aus der Reihe. Die Kathedrale zum Heiligen Kreuz,
die größte Kirche Oppelns. Seit den 70er Jahren hat sie den Status
inne, ihre Historie geht aber ins Mittelalter zurück, an jener
Stelle eine Holzkirche stand. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die
barocke Charakteristik durch die gotische ersetzt. Ein imposantes
Gebäude. Einige hundert Meter weiter, sieht man das nächste
Gotteshaus. Die Kirche des heiligen Sebastian. Sie ist mit ihrem
barocken Erscheinungsbild dem Schutzpatron der Pestkranken geweiht.
Der Ring bzw. der Rynek ist der
zentraler Platz Opoles. Bereits im Mittelalter war er eine wichtige
Kreuzung bedeutender Handelswege wie Via Regia und Bernsteinstraße
historische Bürgerhäuser mit den barocken und klassizistischen
Fassaden, die man nach dem Krieg mühsam in ihrem originalen
Erscheinungsbild wiederaufbaute, umrahmen das rechteckige Areal. In
der Mitte ist das Oppener Rathaus gelegen. Das herausragendste
Bauwerk im Stile eines florentinischen Palastes. Ein Hauch von
italienischem Flair im tiefsten Polen. Charmant. Der Rathausturm
dominiert mit seinen satten 62m Höhe. Den klassizistischen Charakter
bekam das repräsentative Gebäude im 19. Jahrhundert. 1934 bis 1936
erhielt es eine umfassende Neugestaltung.
Der Weihnachtsmarkt ist wirklich einer.
Bei 5 Grad im Plusbereich und das Treiben nicht zum Verweilen ein.
Erst recht nicht, das plumpe, weiße und wenig weihnachtliche
Festzelt. Die doch festlich geschmückten Verkaufsbuden davor werten
das Bild auf, können aber den ersten, wenig einladenden Eindruck
nicht retten. Darum lassen wir ihn links liegen. Nicht mal einen
Glühwein gönnen wir uns.
Weiter geht es auf der Krakowska, der
Hauptpromenade Opoles. Links und rechts säumen sich Geschäft und
Läden des Einzelhandels. Viele Menschen strömen durch die Straßen
und Gassen. Ein junges Publikum ist auffällig.Verwunderlich ist das
kaum. Schließlich ist Opole eine Universitäts- und Hochschulstadt.
Tausende Studenten bilden sich an den diversen Instituten und
Einrichtungen fort. Die spiegeln sich im Stadtleben wieder.
So erkunden wir die Stadt, laufen durch
die Gassen. Vorbei an der Bergelkirche, die sich auf dem höchsten
„Berg“ Opoles. Nennen wir es Erhebung mit 165m. Sie ist die
älteste Kirche im Stadtgebiet. Verschiedene Einflüsse aus Barock,
Neo-Renaissance und Gotik finden sich darin wieder. Nebenan entstand
im 13. Jahrhundert ein Kloster, welches heute von der Universität
genutzt wurde. Das Museum des Oppelner Schlesien grenzt ebenfalls
unmittelbar an der Bergelkirche. Das Gebäude war einst ein
Jesuitenkolleg. Nicht einmal hundert Jahre hatte es diese Funktion
inne. Das war im 18. Jahrhundert. Nach und nach wurde es mit
benachbarten Häusern verbunden.
Vom Nikolai-Kopernikus-Platz, einem
zentralen und belebten Punkt mit einem Einkaufscenter, setzten wir
unseren Rundgang zum Plac Wolnosci fort. Auch so ein Anziehungspunkt.
Mit dem Haus „Europa“ ragt ein Gebäude am Platz besonders
heraus. Im Erdgeschoss ist heute ein Restaurant bzw. ein Cafe
beheimatet. Scheint eine Art Szene-Lokal zu sein, die Plätze sind
alle besetzt. Nichts frei für uns. Warten wollen wir nicht. Der
Platz wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört. Auch das
Haus „Europa“ traf es. Im Gegensatz zu anderen Gebäuden wurden
die Ruinen wieder aufgebaut. Das alte Regierungsgebäude hatte nicht
so viel Glück. Auf dem Gelände legte man einen Park an. Die
Oppelner Nike prägt diesen. Eine Statue, die in den 70er Jahren
entstand. Ein belebter Platz. Aus allen Himmelsrichtungen führen
Straßen zu ihm. Die Fußgängerzone vom Ring endet hier. Dorthin
orientieren wir uns wieder. Den weißen Kirchturm der evangelischen
Franziskanerkirche erblicken wir aus einiger Entfernung.
Zwei Minuten später sind wir erneut am
Ring. Der Kreis schleißt sich.
Zum Abschluss gönnen wir uns
einen Kaffee. In einer Seitenstraße, mitten in der Altstadt. Ein
kleines modernes Kaffee. Junge Leute sitzen und quatschen lebendig
miteinander. Wir finden einen Platz. Milchkaffee und Cappuccino.
Immer für ein Päuschen gut. Verständigungsprobleme haben wir
nicht. Das Bestellen funktioniert ganz simpel. In Muttersprache. Der
junge Kerl, kaum 18 Jahre alt, erkennt den deutschen Schlag sofort.
Als wir gerade auf Englisch ordern wollten, begrüßte er uns auf
deutsch. Irgendwie überraschend. Irgendwie auch unangenehm, sofort
als Deutscher enttarnt zu werden. In dem Fall aber nicht schlimm, im
Gegenteil. Die Atmosphäre ist sehr herzlich.
Unser Turn in Opole
neigt sich damit dem Ende zu. Der Schleier der Dämmerung liegt sich
allmählich über die Stadt. Die Straßenlaternen brennen bereits.
Wir reihen uns in den Strom der Autos ein. Immer Richtung
stadtauswärts.
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