Katowice. Das polnische Ruhrgebiet.
Bereits von der Autobahn sieht man die riesigen Industrieanlagen mit
ihren Fördertürmen. 310000 Menschen leben in der Stadt, im
oberschlesischen Ballungsraum, zu dem Katowice gehört, sind es sogar
3,5 Millionen Menschen.
Katowice ist das Zentrum des
Oberschlesischen Industriegebiets. Es ist das wichtigste in Polen.
Der Steinkohlebergbau und die Schwerindustrie sind die
Hauptwirtschaftszweige, die mehr und mehr durch die Elektro- und
Informationstechnologie Zuwachs erhalten. Zürück in die Zukunft.
Dabei musste man einige Hürden
überwinden. Die Wende 1989 zum Beispiel. Die Planwirtschaft war
passe, die freie Marktwirtschaft hielt Einzug. Privatisierung statt
Verstaatlichung. Mit großer Auswirkung für die Industrieregion.
Hunderttausende von Arbeitsplätze gingen flöten. Die Berg- und
Hüttenwerke haben allmählich ausgedient. Wie das Ruhrgebiet in
Deutschland, so auch das Oberschlesische Industriegebiet. Kein Ort
kann das besser ausdrücken als Katowice. Mittlerweile hat man sich
gefangen, trotzdem muss man sich dem Strukturwandel stellen. Hat man.
Vom stillgelegten Steinkohlebergwerk zur riesigen Shopping-Mall,
durch den Umbau des Hauptbahnhofs entstand wiederum ein
Einkaufszentrum. Die Stadt wandelt sich, Investitionen sind stets
nötig. Große und bedeutende europäische Firmen haben eine
Niederlassung in Katowice. Ein Beweis für den Standort.
Verkehrstechnisch ist der beinahe
perfekt ausgebaut. Die Ost-West-Autobahn führt quasi durch das
Stadtgebiet, die Nord-Süd-Verbindung nach Warschau ist nur einen
Steinwurf entfernt. Auf der Schiene ist man ein extrem gut
ausgebauter Knotenpunkt, der führende des Landes. Dazu der
internationale Flughafen. Ein Zentrum eben.
Das Leben pulsiert in den Straßen. Die
Autos quetschen sich durch die Straßen. Die Straßenbahn durch
donnert über die Gleise. Vorbei an den Hochhäusern, den Altbauten
und den riesigen modernen Wohnblöcken. Funktionalität, Einfachheit
und Bodenständigkeit prägt das Leben in der Stadt. Pragmatismus.
Katowice ist nicht nur wirtschaftlich
bedeutend im schlesischen Gebiet. Die Kultur und die Bildung spielen
ebenso eine übergeordnete Rolle. Über 45000 Menschen studieren an
der Schlesischen Universität. Die ist aber nicht die einzige.
Technische Universität und diverse Hochschulen vervollständigen das
umfangreiche Bildungsangebot. Kumuliert kommt man angeblich eine Zahl
von nahezu 100000 Studienplätzen aller Fakultäten. Beachtliche
Zahl.
Ein Institut ragt nicht nur
architektonisch heraus. Die Schlesische Bibliothek ist die modernste
Polens. Das futuristisch anmutende Gebäude orientiert sich an den
Standards und Maßstäben des vereinten Europas.
Das Schlesische Theater dagegen,
gehörte eher in die Kategorie neoklassizistische Architektur. 1907
eröffnete man das Theater am zentral gelegenen Ring. Für damalige
Katowicer Verhältnisse ein überdurchschnittlich großes. Der
einfarbige Anstrich strahlt ein wenig Trostlosigkeit und
Langweiligkeit aus. Verzierungen und Reliefs gehen, auch durch die
Farbe, unter.
Wer den Drang nach Museumsbesuch
verspürt, der kann sich im Schlesischen Museum austoben. Das
ehemalige Grand Hotel Wiener, ein repräsentatives Gebäude aus der
Neurenaissance, wurde 1984 wiederbelebt. Das Vorgängergebäude wurde
von den Nazis 1939 plattgemacht, nachdem es 14 Jahre zuvor gegründet
wurde. Die Exponate raubten die Schergen um Hitler natürlich. Beide
Bauwerke sind seit 2014 Geschichte. Ein neuer Ort wollten die
Stadtoberhäupter finden. Eine ehemalige Zeche schien der geeignete.
Zur Geschichte Schlesien passt die Wahl in jedem Falle.
Ausstellungsstücke archäologischer und ethnologischer Art, Gemälde
aus dem 19. und 20. Jahrhundert und Sondervorführungen umfassen das
Spektrum.
Die reine Geschichte Katowices wird in
einem separaten Museum erzählt. Originale Dokumente und Bilder,
nachempfundene Wohnungen als Darstellung des typisch großbürgerlichen
Lebens aus vergangenen Tagen untermauern die harten Fakten. Der
Aufschwung der preußischen Stadt begann mit der Verlegung der
Eisenbahndirektion. Schon zum Ende 19. Jahrhundert hatte man sich zum
Knotenpunkt auf Schienen entwickelt, nachdem man kurz vorher noch an
den Konsequenzen des Zollkrieges zwischen Russland und Deutschland
eisern zu spüren bekam. Das verstummte endgültig mit der Ansiedlung
von Großkonzernen. Die Schwerindustrie boomte.
Den Ersten Weltkrieg überstand man
unbeschadet. Ein Glück für Katowice, vor allem für die kommenden
Zwischenkriegsjahren. Vorausgegangen waren die Gebietskonflikte um
Schlesien. Polen wollte es, die Deutschen wollten es. Die
Siegermächte waren sich uneins. 2/3 erhielten nun schlussendlich die
Deutschem, 1/3 die Polen, einschließlich Katowice. Das Ende vom Lied
war nun, die Bevölkerungsanteile verschoben sich. Katowice wuchs und
wuchs, doppelt so stark. Man war die Hauptstadt des autonomen
Schlesien. Das Parlamentsgebäude entstand, Hochhäuser und
Wolkenkratzer wurden hochgezogen, große öffentliche Bauten wurden
aus dem Boden gestampft. Sie wurden errichtet, um die Bedeutung der
Stadt zu unterstreichen. Der Wolkenkratzer Drapacz
Chamur, das Altus-Hochhaus oder der
Schlesische Sejm stammen aus jenen Jahren.
Den 2. Weltkrieg überstand Katowice
nur mit einigen Schäden. Besonders die Juden erlitten ihr Schicksal.
Unmittelbar nach der Befreiung wurde es noch nicht besser. Die Rote
Armee hatte die Gewalt inne. Die deutsche Bevölkerung wurde
vertrieben. Eine Minderheit nur geduldet. Mehr und mehr entwickelte
sich Katowice zur Musterstadt. Die Stadtumbenennung von 1953 bis 1956
manifestierte den Status. Stalinograd. Kommunistischer,
sozialistischer und ja russischer geht es nicht mehr. Ein Meer von
Plattenbauten und riesige Wohnblöcken wurden gebaut. Teilweise
16-stöckig, wie der namens Superjednoska. Man warb mit jener
futuristischen Architektur für das neue sozialistische Polen. Die
historische, urbane Struktur aus den Nachkriegsjahren ging verloren.
Das ist heute im Stadtbild natürlich nicht zu übersehen.
Das imposantesten Bauwerke ist
sicherlich die König-Christus-Kathedrale. Sie ist erst im 20. Jahrhundert errichtet worden. Eine
recht junge Kirche. Sie gehört zu den größten in Polen. Ihre
klassizistischen Merkmale verleihen eine gewisse Sachlichkeit,
Bodenständigkeit und Zurückhaltung. Ihre sandsteinfarbene
Außenfassade unterstreicht das umso stärker. Von Protz und Prunk
ist nichts zu sehen. Gut so, alles andere würde zu dieser
Arbeiterregion nicht passen. Südlich der König-Christus-Kathedrale,
irgendwie ein eigenartiger Name, befindet sich der Erzbischöfliche
Palast. In dem Museum wir die oberschlesische Kirchenkunst
präsentiert. Wertvolle Madonnenfiguren und Kirchengemälde sind in
den Räumen und Galerien ausgestellt.
Nebenan diente die backsteingotische
Gotteshaus jahrzehntelang als Bischofskirche der katholischen
Dioziöse.
Wer in Katowice das alte, urbane und
historische eben vergangener Tage entdecken will, der merkt schnell,
dass er das nicht finden wird. Katowice ist keine prunkvolle und
prächtige Stadt, die auf den Putz haut. Keine oberflächliche Stadt.
Menschen arbeiten in den Kohlebergwerken hart für ihr Einkommen.
Dabei muss man sich mit dem strukturellen Wandel nicht erst seit
gestern auseinandersetzen und neu zurechtfinden. Nicht einfach, das
tut weh, das verändert zwangsläufig die Menschen, die Stadt und die
Region. Ein Spiegelbild des gesamten Polens, das sich ohne Zweifel
auf das deutsche Ruhrgebiet pro jezieren lässt. Dem ergeht es
ähnlich.
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