Kroatien ist mehr als nur Küste und
Meer. Ein Blick ins Landesinnere ist ebenso reizvoll. Das Land ist
trotz der südlichen Lage und der hohen Temperaturen sehr grün und
in der Vegetation sehr vielfältig. Das hätten wir vorher nie
geahnt. Immer nimmt man nur die felsigen Küstenabschnitt von Nord
nach Süd wahr. Ein Gebirge durchzieht einen großen Teilen das Land.
Es schneidet das Landesinnere von den Orten an der adriatischen Küste
regelrecht ab. Das riesige Velebit-Gebirge. Eine grüne Oase
Kroatiens.
Der Velebit erstreckt sich über satte
145km Länge und 10 bis 40km Breite, ist Teil der Dinariden.
Übersetzt ins Deutsche heißt es „Großes Wesen“. Treffend. Von
Karlovac, dem Ort an der adriatischen Küste, geht es hinauf. Vom
Meeresspiegel auf 920m, innerhalb von 10km. Die Vegetation ist unten
karg. Bäume und Pflanzen wachsen nicht wirklich. Das heiße
Mittelmeerklima lässt das nicht zu. Trockenheit und Hitze sind deren
Killer. Die Straße führt uns steil hinauf. Der „2er-Golf“ hängt
uns im Genick, hält locker Anschluss. Oben angekommen, am Velebit
Susanj, einem Passübergang ins Landesinnere, ist es saftig grün. Es
keucht und fleucht. Die Vegetation ist vielfältig. Laub-und
Mischwälder, Wiesenfelder, Sträucher und Gewächse prägen das Bild
vor unseren Augen. Mitteleuropäisch. Wie die Pflanzenwelt hat sich
auch das Klima geändert. Der Velebit bildet eine Wetterscheide.
Mittelmeerklima und Gebirgsklima. Von 30 Grad auf nur noch die
Hälfte, 16 frische Grad zeigt das Thermometer des Autos an. Also
Jacke anziehen. Der Wind tut sein Übriges hinzu, es pfeift
ordentlich hier oben. Ich steige eine Treppe aus Granitgestein
hinauf. Oben am Ende steht aus dem gleichen Material ein Quader. Ein
Denkmal an die tausenden von getöteten Menschen während des zweiten
Weltkrieges. Die faschistischen Gedanken hatten leider auch im damals
diktatorischen Regime ihren festen Platz. Dementsprechend wurden
Juden, Serben und Andersdenkende gefangen genommen, gefoltert und
getötet. Grausam, immer wieder.
Die Fahrt geht weiter, wieder hinunter
ins Tal. Eine traumhafte Natur umgibt uns. Endlose Ruhe, vereinzelt
kommen uns Autos auf dem Weg nach Gospic entgegen, in einer sehr dünn
besiedelten Region, wo wir nur kleine Siedlungen passieren, in denen
teilweise verlassene Häuser ihr Dasein dahin fristen. Normaler
Vorgang,die Menschen strömen zu den Arbeitsplätzen in die Städte,
Kroatien ist davon ja nicht reich beseelt, oder an die Küste. Die
Höhe nimmt ab, wir kommen wieder in flachere Gefilde. Es geht immer
gerade aus. Die Bäume und Wiesen fliegen an uns vorbei, die
vereinzelten Häuser ebenso.
Das Gebirge ist in seiner Art besonders
geschützt. Der „Nationalpark Nördlicher Velebit“ im Norden, der
„Nationalpark Paklenica“im Süden und der Naturpark Velebit in
der Mitte des Gebirgszuges, nahe der Stadt Gospic, belegen das
eindrucksvoll. Der Südliche der drei geschützten Parks, der
„Nationalpark Parklenica“, liegt circa 30km nördlich von Zadar
und besitzt bereits seit 1949 den Status „Nationalpark“. Mit dem
Vaganski Vrh liegt der der höchste Gipfel des Velebits in diesem
Gebiet, der weithin sichtbar ist. Charakteristisch sind die steilen,
teils bizarr geformten Felsformationen. Vor allem für Bergsteiger
und Wanderer bietet der Nationalpark ideale Bedingungen.
Der mittlere Teil des Gebirges ist ein
Naturpark, der das Gebiet um Gospic eingrenzt, dass wir relativ zügig
erreichen.
Gospic – Durchgangsstation im Grünen
Gospic liegt mittendrin. 40Km vom Meer
entfernt, über 50km sind es zum Nationalpark Plittwitzer Seen. Eine
Kleinstadt im Nirgendwo. Für uns Durchgangsstation und
Übernachtungsort. Tourismus gibt nur in Verbindung mit dem Velebit.
Einige Campingplätze sind am Straßenrand ausgeschildert. 12000
Menschen leben in der insgesamt dünn besiedelten Region. Sie sind
auf den Straßen Gospics unterwegs, wuseln durch die deutschen
Supermark-Discounter. Es herrscht reges Treiben. Dabei merkt man
nicht viel von der bewegten Geschichte der jüngeren Vergangenheit.
Jedenfalls nicht im Alltagsleben der Stadt. Kein Wunder, die Kroaten
verdrängen das. Es ist ihre Stadt, ihr Besitz. Vielleicht sehen sie
sich im Recht, aber so weit will ich nicht gehen. Das wäre ohne
genaue Informationen nicht fair. Zur Geschichte: Serben und Kroaten
bekämpfen sich im Kroatienkrieg, töten einander skrupellos. Gospic
liegt direkt an der Frontlinie. Eine Minderheit von Serben ist nach
dem Krieg wieder in die Stadt zurückgekehrt, die der kroatischen
Regierung angeblich loyal gegenüberstand. Trotzdem soll der damalige
Innenminister des Landes den Befehl gegeben haben, Serben aus der
Umgebung nach einer Liste zusammenzukarren, zu verschleppen und zu
töten. Etwa 100 sollen es gewesen sein. Ethnische Säuberung nennt
man das. Ein unglaublich abscheulicher Vorgang. Menschliches
Gewissen? Fehlanzeige. Er zeigt den Hass zwischen den ehemaligen
jugoslawischen Teilstaaten, der insgesamt heute noch deutlich
wahrnehmbar ist. Und das im ganzen Land. Da geht es fast unter, das
sich in dem kleinen Städtchen während des zweiten Weltkrieges ein
Konzentrationslager befand. Hauptsächlich Serben und Juden waren
interniert. Wieder grausames Kriegsverbrechen. Oh Mann!
Spektakuläre Sehenswürdigkeiten gibt
es nicht zu erkunden, die Stadt lebt von seiner Lage im
Velebit-Gebirge. Tourismus ist nicht wirklich vorhanden. Dafür hat
das 40km entfernte Meer mit dem Örtchen Karlobag einen zu großen
Reiz.
Zwei Hotels gibt es scheinbar.
Jedenfalls sind sie ausgeschildert. Das eine finden wir nicht, also
kommt das andere zum Zug. Deutsche Standards darf man nicht erwarten.
Die Farbe der weißen Wände ist etwas abgenutzt, die Ausstattung ist
nicht das Luxuriöseste. Einfach gehalten, trotzdem sauber und
reinlich. Sehr erträglich. Schnell duschen. Das Hungergefühl
übernimmt immer die Kontrolle des Körpers. Bei der Suche nach einer
Unterkunft haben wir eine Pizzeria am Straßenrand gesehen. Die sah
einladend aus. Genau dort fahren wir hin. Keine Touristen hier, man
hört und sieht nur die Einwohner von Gospic. Wohltuend ich mag das.
Dafür ist die Bedienung nicht gerade freundlich. Kein Lächeln, kein
sympathisches Auftreten. Pizza Hawai und Spaghetti Bolognese essen
wir. Sehr lecker, sehr ausreichend. Wir sind befriedigt. Dank der
milden Temperaturen und der angenehmen Luft bleiben wir noch ein
wenig bis uns die Müdigkeit allmählich beschleicht. Beim
kroatischen Fernsehprogramm schlummern wir in unseren Betten langsam
ein.
Der Check-out am nächsten Morgen
verzögert sich. Das Kartengerät funktioniert nicht, auch nach
mehrmaligen Versuchen nicht.wir zahlen cash. Währenddessen leisten
wir Aufbauhilfe. Die Rezeptionistin will wissen, welche Portale die
Deutschen zum Buchen ihrer Hotels und Unterkünfte nutzen. Die
einschlägigen Seiten nennen und zeigen wir ihr gern. Zusätzliche
Tipps und Ratschläge inklusive. Ob das fruchtet? Naja man wird
sehen.
Der „Nationalpark Nördlicher
Velebit“ befindet sich im Hinterland nahe Senj, das direkt an der
adriatischen Küste liegt. Auf dem Weg dorthin, von den Plitzwitzer
Seen kommend, die ca. 40km vom Nationalpark entfernt sind, wird es ab
Ototac sehr hügelig. Es geht hoch und runter, für einige Kilometer
an der Autobahn parallel entlang. Links die rasenden Fahrzeuge,
rechts das Bergmassiv. An den über 1000m hohen Gipfel sieht man die
steil herabfallenden Felswände, die typisch für das Gebirge sind.
Diese manchmal skurillen Karstformation kennzeichnen das Gebirge. Die
zahlreichen Höhlen sind Nebenprodukte dieses Karstgesteins. DieNatur
ist traumhaft und durch die dünne Besiedlung dieses Lebensraumes
unberührt. Nur wenige Straßen sind durch die Wälder gezogen und
asphaltiert. Darum wachsen so viele endemische Pflanzen in diesen
Schutzgebieten. Wildtiere wie Braunbären, Luchse oder Wölfe und die
Ader haben ihre Heimat gefunden. Daher verdient es das Prädikat
UNESCO-Biosphärenreservat.
Wer nach Senj will, muss den Gebirgszug
überwinden. Der Vratnik-Pass, knapp 600m hoch, ist eine der ältesten
Straßen Kroatiens. Schon die Römer sollen sie angelegt haben, um
ihre Waren wie das Salz als „weißes Gold“ ins Landesinnere zu
transportieren. Auf dem Passüberquerung steht heute eine Art Bunker.
Als Burg würde ich das nicht bezeichnen. Dafür ist er zu einfach
gehalten. Es ist ein flaches, quadratisches Gebäude mit einem
Minitürmchen und Gucklucken, erbaut aus grauen Ziegelstein.
Rundherum sieht man nur grün. Einzig die nackten Karstgipfel
verändern das Farbenbild. Von hier oben hat man einen sensationellen
Blick auf Senj und das Meer. Das genießt man, versuch es zumindest.
Orkanartige Winde erschweren das Fortbewegen und Stehenbleiben
brutal. Mein Cappie muss ich mit beiden Händen festhalten, die
Brille fliegt mir auch fast davon. Schnell noch Schnappschüsse
gemacht und wieder ins Auto. In Richtung Tal nach Senj.
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