Mostar übt auf uns eine unheimliche
Faszination aus. Die Alte Brücke hat Berühmtheit erlangt. In den
Medien war der Ort durch seine schicksalhafte Vergangenheit immer in
den Medien präsent. Ein großer Reiz wirkt auf uns. Darum nehmen wir
Kurs in die Herzegowina.
Es ist brütend heiß, die Sonne brennt, das Thermometer steigt. Kein Luftzug spürt man auf der Haut. Einzig der Fahrtwind verschafft uns etwas Abkühlung. Links und rechts die steppenartige Landschaft. In der Ferne kann man die Silhouetten der steilen Velez-Berge erkennen.
Es ist brütend heiß, die Sonne brennt, das Thermometer steigt. Kein Luftzug spürt man auf der Haut. Einzig der Fahrtwind verschafft uns etwas Abkühlung. Links und rechts die steppenartige Landschaft. In der Ferne kann man die Silhouetten der steilen Velez-Berge erkennen.
Metkovic ist sozusagen der letzte Ort
auf kroatischer Seite. Die Neretva verzweigt ab hier in mehrere
Flussarme, welche dieses fruchtbare Nevreta-Delta entstehen lässt.
Sie bestimmt das Leben der kleinen Hafenstadt, da die letzten 25 Km
des Flusses für kleine Schiffe befahrbar ist. Somit stellt es
natürlich einen wichtigen Transportweg dar, wovon Metkovic merklich
profitiert.
Es ist nicht weit zu einer ehemaligen
antiken Handelsstadt der alten Römer, von der heute nur noch die
Ruinen existieren. Sie wurde im frühen Mittelalter zerstört. Im 19.
Jahrhundert wurde bei archäologischen Ausgrabungen die Stadtmauern
des Forums, Inschriften und Münzen gefunden. Das alles kann man sich
im Archäologischen Museum Narona in dem kleinen Dorf Vid, 4 Km von
Metkovic entfernt, besichtigen. Braune Schilder weisen den Weg.
Durch die Herzegowina
Der Grenzpunkt Vgronnic zwischen
Bosnien und Herzegowina sowie Kroatien ist übersichtlich. Auf jeder
Seite stehen jeweils zwei Container, in denen die Grenzbeamten die
Ausweise der Ein- bzw. Ausreisenden kontrollieren. Die Schlange der
Autos ist zum Glück nicht all zu lang. Es geht zügig voran. Trotz
Passkontrolle. Auf bosnischer Seite werden wir freundlich begrüßt.
Mit einem breiten Lächeln und einem perfekten „Guten Tag
Christian“ , „Guten Tag Vera“ begrüßt er uns in seinem Land.
Nun sind wir in diesem Land, das wie Kroatien und Slowenien zu dem
Vielvölkerstaat Jugoslawien gehörte und seit dem Zusammenfall 1991
einen blutigen, 3 Jahre dauernden Krieg zu verdauen hat. Unterwegs
sehen wir kroatische Trikots an den Häusern wehen. Nur ein kleines
Indiz auf das Problem der Region.
Die Straße führt uns weiter durch das Tal der Neretva. Mal ist es breiter, mal wieder enger und die Berghänge türmen sich links und rechts gen Himmel. Die Neretva-Bosna-Furche, so heißt diese Verbindung von der Adria bis zur bosnischen Hauptstadt Sarajevo, ist der wichtigste Verkehrskorridor des Landes. Es ist die Verbindung zwischen Meer und Landesinnere.
Die Straße führt uns weiter durch das Tal der Neretva. Mal ist es breiter, mal wieder enger und die Berghänge türmen sich links und rechts gen Himmel. Die Neretva-Bosna-Furche, so heißt diese Verbindung von der Adria bis zur bosnischen Hauptstadt Sarajevo, ist der wichtigste Verkehrskorridor des Landes. Es ist die Verbindung zwischen Meer und Landesinnere.
Nach 30 Km begegnen wir dem Örtchen Pocitelj. Optisch
überragt die gut erhaltene Festung nicht nur das Dorf, sondern auch
den Teil dieses Flussabschnittes. Eine Moschee gibt es auch, das
Minarett mit den Lautsprechern ist ebenfalls weithin sichtbar. Nicht
gerade klein das islamische Bauwerk. Ein Zeichen, wie bedeutend einst
der Ort gewesen sein muss. Heute sieht das anders aus. Man sieht eine
Gruppe von Menschen durch den kleinen Ortskern gehen, richten
interessiert ihre Augen auf die Läden, Geschäfte und Häuser. Die
Ansammlung von Gebäuden im osmanischen Stil waren ab 1961 Ateliers
und Werkstätten einer Künstlerkolonie. Der deutsche Reisebus zeigt
welcher Nation die Touristen angehören. Zwischenstopp mit
Mittagessen vermutlich.
Die Neretva ist von ihrem Unter- bis zum Mittellauf unser ständiger Begleiter. 225 Km ist sie lang und damit der bedeutendste der Herzegowina.Von ihr profitieren die Menschen, wie immer von einem großen Fluss. Nur nicht in Form von der Schifffahrt und seinen Häfen. Sie ist die Lebensader. Die Neretva versorgt die Böden mit dem überlebenswichtigen Wasser und macht sie so sehr fruchtbar. Prädestiniert für den Obstanbau. Die Plantagen säumen kilometerlang das Ufer, haben einen hohen Ertrag und werden in unsere heimischen Supermärkte exportiert. Die Etikette an den Mandarinen-, Orangen- und Traubennetzen sind Beweis dafür. Der Landstrich ist für ihr Obst bekannt.
Die Herzegowina umfasst circa ein
Drittel des heutigen Staatsgebietes. Dementsprechend groß ist das
Gebiet und verdient es im Ländernamen erwähnt zu werden.
Landschaftlich ist sie zudem sehr reizvoll. Die vegetationsärmeren
Berge des Dinarischen Gebirges, mit ihren teilweise steilen Hängen,
mit einer Höhe von teilweise über 2200m, prägen dieses Gebiet, das
im südwestlichen Landesteil Bosnien-Herzegowinas zu finden ist. Das
Klima ist sehr mediterran. Die Winter sind mild, die Sommer heiß und
trocken. Klassisches Mittelmeerklima. Dadurch sind die weiten
Karstlandschaften so typisch. Kaum übersehbar auf unserem Streifzug.
Mostar und die Brücke
Mostar. Diese weltberühmte Stadt, die
symbolträchtigste Stadt im südöstlichen Europa. Geschichte ist an
ihr zum Greifen nahe. Eine Stadt, nach ihrer alles prägende Brücke
benannt. „Most“ heißt ins Deutsche übersetzt „Brücke“.
Eine Stadt, die die Folgen des Bosnienkrieges von 1993 zu tragen hat.
Sie ist heute in sich geteilt. Dabei spielt die Stari Most, die
Brücke über den Fluss Neretva eine besondere Rolle.
Die Stadt in der Herzegowina, im
südlichen Teil des Landes Bosnien-Herzegowina ist mit 110000
Einwohnern eine mittelgroße Stadt. Nicht zu groß, nicht zu klein.
Wir schwitzen aus allen Poren, immer die Wasserflasche in der Hand.
Es herrschen hohe Temperaturen in der Stadt, in der Mittagszeit fällt
das Thermometer nicht unter 38 Grad. Man spürt kaum einen Luftzug am
Körper. Der umliegende Gebirgszug Velez mit seinen fast 2000m hohen
Gipfeln schließt eine der heißesten Städte Europas tief in einen
Kessel ein. Sie ist nur auf 60m Meereshöhe gelegen. Daher dieses
heiße Klima.
Mostar und seine Bürger haben eine
bewegende Geschichte hinter sich und werden das wahrscheinlich immer
verkörpern. Zu prägend ist das Geschehene. Die Stadt ist geteilt,
zwar nicht mehr verwaltungstechnisch, wie bis zum Jahre 2004, aber
aus den Köpfen sind die Grenzen innerhalb der Stadt deswegen
trotzdem nicht gestrichen. Es hat Gründe, tief einschneidende.
Bosnien und Herzegowina ist wie Kroatien, Slowenien oder Serbien aus
dem Vielvölkerstaat Jugoslawien hervorgegangen, Tito’s Diktatur.
Nach dem Zusammenbruch 1991 verfiel das Land in eine tiefe Spaltung. Der Bosnienkrieg war die logische Folge. Erst kämpften die Kroaten und
Bosniaken Seite an Seite gegen die orthodoxen Serben. Als die
Bosniaken ihren Staat ausriefen, sagten sich noch Kroaten und
Bosniaken den Kampf an. Nachbarn führten plötzlich mit einer
grausamen Brutalität und Gewaltbereitschaft Krieg gegeneinander. Ein
Horror. In einem komplizierten Verfahren mussten drei verfeindete
Parteien zu einem Staat vereint werden. Eine extrem schwierige
Aufgabe mit dem hitzigen Temperament der Menschen in Südosteuropa.
Fast unlösbar.
Es ist heiß, mit dem Auto halten wir
uns immer an den Hinweisschildern zur Stari Most, unserem Hauptziel.
Es wird langsam unerträglich im Auto, ohne Fahrtwind durch die Stadt
zu tuckern. Das schlägt auf das Gemüt, etwas genervt ist man. Es
kann nicht schnell genug gehen, einen Parkplatz zu finden. Wir fahren
über eine der vielen Brücken über die Neretvta. Vom Ost- in den
Westteil. Zu diesem Zeitpunkt sind wir uns dessen gar nicht bewusst,
was das bezüglich des bereits geschilderten Hintergrundes heißt.
Ziemlich schnell finden wir einen Parkplatz. Die Kassierer erwarten
uns schon freudig, aber nicht aufdringlich. Auf perfektem Deutsch
erklärt uns der Bosnier den Weg zum besagtem Ziel. Ein Katzensprung.
Nach wenigen Metern beginnt schon die Altstadt. Sie erstreckt sich
beiderseits der „Alten Brücke“. In den verwinkelten Gassen sind
Restaurants, kleine Kunstläden und Souveniershops untergebracht.
Viel Kitsch, aber auch eine Handvoll schöne Dinge. Die Touristen
quetschen sich durch die Engstellen. Körper an Körper. Haut an
Haut.
Plötzlich öffnet sich vor uns die
Häuserfront, der blaue Himmel ist vor uns zu sehen. Wir sind
angekommen, an der Alten Brücke, die das Hinterland mit der Adria
verband. Ein architektonisch anspruchsvolles Konstrukt. Im 15.
Jahrhundert wurde der Bau durch den osmanischen Sultan Suleyman I. in Auftrag gegeben,
innerhalb von zehn Jahren wurde sie errichtet. Damals war es eine architektonische Meisterleistung der Ingenieurskunst. Zu Recht.
Wirklich beeindruckend. Ein Bogen in Form einer Ellipse überspannt
die smaragdfarbene Neretva. An der Seite endet der Bogen in
Stützpfeilern aus Kalkstein. Angeblich habe der Architekt Mimar
Hajrudin das Konzept der Einbogenbrücke in einem kleineren Maßstab
getestet. Die Kriva Cuprija existiert heute noch, nur wenige Meter
entfernt. Sie überbrückt allerdings nicht die Neretva, sondern die
kleine Radobolja, gehört aber trotzdem zum geschützten
Altstadtensemble. Der Weg über die Brücke verläuft bis zum
Scheitelpunkt steil bergan, ab da an im gleichen Winkel wieder
hinunter zur anderen Uferseite. Man muss aufpassen, durch den
Steigungsgrad und die abgeschliffenen weißen Kalksteinblöcke kann
man schnell wegrutschen und man liegt auf dem Hosenboden. Die
Stufenabsätze vereinfachen das Überqueren, können die Gefahr
jedoch nicht gänzlich verhindern. Am Scheitelpunkt sitzen die
Brückenspringer auf der Brüstung. Sammeln Geld von den Touristen
und springen dann elegant kopfüber in das türkise Wasser des
Flusses. Nicht ganz ungefährlich, aber sie scheinen zu wissen, was
sie tun. Soll sogar eine Art Tradition sein.
Es ist ein unglaubliches Bauwerk,
allein von seiner Architektur her. Doch es ist mehr als das. Es ist
diese tragische Symbolik, diese traurige Geschichte, die dahinter
steht. 1993 wurde die „Stari Most“ im bestialischen Krieg von der
kroatischen Artillerie regelrecht zerbombt. Ein Jahrhunderte altes
Monument in Schutt und Asche. Nicht nur das, eine Welt bricht
zusammen. Der 9. November 1993 hat sich in die Köpfe der Menschen
eingebrannt.
1995 begann der Wiederaufbau nach einer
Zwischenlösung als Drahtseilbrücke. Allein schaffte der neue Staat
das natürlich nicht. Wie auch, man musste sich schnell organisieren,
dass man die Menschen miteinander vereint. Dabei wurden viele
Bauelemente und Steine der ehemaligen Brücke verwendet. 2004 wurde
sie dann feierlich eingeweiht und eröffnet. Ohne die finanziellen
Hilfen der UNESCO, der Weltbank und der Türkei wäre das nie möglich
gewesen. Das können wir auf einer Hinweistafel am Ende der Brücke
nachlesen. 15 Millionen hat das gekostet und es hat sich wirklich
eindrucksvoll gelohnt. Im Übrigen ist es das erste Mal, dass die
UNESCO aktiv an einem Kulturdenkmal mithalf. Die Welt wäre ohne die
Alte Brücke um ein ganz ganz großes Bauwerk ärmer.
Die äußeren Wunden sind beseitigt,
die Altstadt ist vollständig wiederhergestellt, doch der Konflikt
bleibt, wird auch in Zukunft bleiben, ich sage für immer. Das spürt
man. Die Neretva trennt zwei Stadtteile voneinander. Ost und West.
Christen und Muslime. Die Brücke verbindet, auch symbolisch. Das
Alltagsleben sieht natürlich anders aus. Beide Seiten leben
nebeneinander. Die islamischen Bosniaken leben und lieben in ihrem
historischen Altstadtkern mit den alten Steinhäusern und den
Moscheen. Genauso die Kroaten, die rund um die Franziskanerkirche
ihre eigene Stadt kreieren. Wir schlendern durch die engen Gassen,
„hüben wie drüben das gleiche Bild“. Restaurants, Souvenir- und
Allerleiläden, diesmal auf der muslimischen Seite. Manche sind
demnach orientalisch angehaucht. Die Moschee Kosmin-Mehmed Pascha hat
die Wirren des Krieges passabel überstanden. Am Brunnen vor dem
Gebetshaus erfrischen wir uns mit dem angenehm kühlen Wasser. Wir
schlürfen, was das Zeug hält. Ein bisschen Erfrischung wenigstens.
Nicht nur wir sehen das so.
Pause. Der Magen knurrt, die Beine
wollen sich ausruhen. Ein gutes Restaurant haben wir rasch gefunden,
nur 20 Meter von der Moschee entfernt. Wir haben sogar direkte Sicht
auf die Brücke. Spaghetti Bolognese und Fladenbrot mit
Schweinefleisch auf Spießen und Reis als zusätzliche Beilage. Dazu
zwei Flaschen spritziges Wasser. Eine Wohltat, sehr lecker. Uns wird
erst einmal bewusst, wo wir uns befinden. Die Eindrucke verarbeitet
man langsam, sofern das überhaupt komplett möglich ist. Nach einer
Stunde gehen wir weiter. Zusätzlich von der Sättigung des Essen
geschlaucht.
Friedhöfe sind im Stadtgebiet immer
wieder zu sehen. Einer ist nahe dem Altstadtensemble.
Kriegsgräberstätte aus dem Bosnienkrieg. Die Zahl 1993 taucht zu 80
Prozent auf den Grabsteinen. Auch die gefallenen Serben sind auf den
Friedhöfen bestattet. Heute lebt allerdings nur noch eine Minderheit
von ihnen in der Stadt. Sie sind genauso verhasst. Werden
möglicherweise auch verantwortlich für allen Übel gemacht.
Bosnisch, Kroatisch und Serbisch sind
die drei gültigen Amtssprachen des Landes Bosnien-Herzegowina. Sie
unterscheiden sich entscheidend. Während das Kroatische und
Bosnische in lateinischen Buchstaben geschrieben wird, beruht das
Serbische auf der kyrillischen Schriftart. Darum sind beide auf den
Straßen- und Richtungsschilder angebracht. Nicht nur hier, zumindest
in der gesamten Herzegowina. Erst die lateinische Schreibweise,
darunter das Kyrillische. Soweit so gut. Nur ist das Kyrillische
durchgestrichen, mit schwarzer Farbe. Sieht nach Graffiti-Spray-Dose
aus. Im gesamten Landstrich. Welch Hass aufeinander.
Das wirkt extrem bedrückend,
beklemmend und macht nachdenklich. Wir sind still und sprechen für
wenige Minuten kein Wort. Erst dann können wir uns wieder aus
dieser trüben Stimmung befreien, die Laune wird wieder heiterer.
Es geht langsamen Fußes zurück durch
die Innenstadt. Noch einmal dieses historische Flair, gepaart mit
dieser gewissen Traurig- und Nachdenklichkeit in sich. Jedenfalls hat
man immer das Gefühl.
Selbst erlangt einem eine gewisse
Demut. Wir persönlich mussten glücklicherweise so etwas nie
erfahren. Es bewegt uns. Später werden wir immer wieder sagen, wie
stark uns diese Stadt in Erinnerung geblieben ist. Ein Mahnmal, trotz
dieser traumhaften Schönheit, dieses Mostar.
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