Der Wellnesstag liegt nun hinter uns. Mittag um 12 Uhr brechen wir aus unserem kleinen Luxus aus. Am Morgen haben wir ausgiebig gefrühstückt, danach eine Stunde den Körper im Fitnessraum auf dem Laufband und an den Geräten gestählt.
Es geht nach Norden, entfernen uns vom Grenzgebiet. Nowy Sacz, in dem wir bereits waren, lassen wir links liegen. Bis zum Örtchen Roja fahren wir durch einsame, unbesiedelte Landschaften. An einigen Stellen sogar einen Hauch von Wildnis und Unberührtheit. Ursprünglich eben. Roja und Szymbark mit seinem beachtlichen Schloss passieren wir. Noch gute 50km haben wir vor uns. Nicht ganz eine Stunde sind wir schon unterwegs. Gorlice ist nur einen Steinwurf entfernt.
Petroleumlampe
Gorlice verbindet man vor allem mit
einem: Der Schlacht im Ersten Weltkrieg. Die russische Armee erlitt
eine schwerwiegende Niederlage gegen die Deutschen und Österreicher,
wurden an der Ostfront zurückgedrängt. 1915 war das. Massen an
Kriegsfriedhöfen sind Zeugen davon. Nun schreiben wir Dezember 2014.
Jahre sind vergangen. Einen Zweiten Weltkrieg gab es zwischendurch
auch noch.
Bereits im 16. Jahrhundert hatte man im
Zuge von Goldabbauarbeiten Erdöl gefunden, diesem jedoch noch keine
Beachtung geschenkt. Genutzt wurde es als Schmiermittel. Im 19
Jahrhundert konnte man endlich nach Verbesserungen an den Bohrtürmen
mit der Förderung beginnen. Somit begründete man die jene
Industrie. Ein gewisser Ignacy Lukasiewicz erfand im kleinen Gorlice
die Petroleumlampe.
Auf der Landstraße geht in Richtung
Dukla und Krosno. Es ist die 28. Von Zator über Wadowice; Nowy Sacz,
Gorlice Krosno und Sanok endet sie in Przemysl. Teil dieser Strecke
gehörten zur Tatraer Reichstraße, die bis ins heutige Sambir in der
Ukraine führte. 350 km war die lang. Damit war sie eine der
wichtigsten Ost-West-Verbindungen im österreichischen Galizien. Seit
dem Örtchen Roja nutzen wir sie, auf dem Weg nach Krosno. Wer nun
glaubt, es sei eine breite Kraftfahrstraße mit vier Spuren, der
irrt. Ein normale Landstraße, vielerorts hat sie dörflichen
Charakter. Hügelig, oftmals nicht ganz eben. Trotzdem ohne Probleme
zu befahren, das Auto wird sich nicht allzu sehr beschweren.
Galizien – unter der Herrschaft Österreichs
Wir schreiben das Jahr 1772. Europa leidet unter den Spannungen der drei Großmächte Preußen, Österreich und Russland. Vor allem zwei Frauen streben nach der gesamten Macht. Kaiserin Maria Theresia und die Zarin Katharina die Große. Polen ist der Leidtragende zur Verhinderung eines drohenden Krieges. Preußen erhielt Westpolen, die Russen das Gebiet um Dnjepr und Die Österreicher Südpolen. Galizien. Die unterschiedlichsten Volksstämme lebten miteinander. Polen, Russen, Ungarn, Armenier und Juden, die den größten Anteil ausmachten. Fortschritt brachte die Annexion nicht. Im Gegenteil, man blieb rückständig. Die Wirtschaft bestand nur aus dem Agrargeschäft. Die Erträge waren extrem gering. Industrie kaum vorhanden. Ein Grund: fehlende Bildung, Schulen waren Mangelware. Jahre später erhielt Galizien die Autonomie. Eine polnische Führung in einer österreichischen Kolonie. Infrastruktur, das Schulwesen entwickelte sich nun. Auf den Wohlstand und die Wirtschaft zahlte das sich nur gering aus. Einzig auf die Rohstoffvorkommen konnte man sich verlassen, das größte in Europa. Die Förderung von Erdöl war überlebensnotwendig. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gehörte Galizien zur Herrschaft der Habsburgischen Österreicher.
Eine gewisse Rückständigkeit ist auch zur heutigen Zeit nicht zurückzuweisen, besonders in den ländlichen Regionen am Rand der Besskiden. Die Zeit scheint einige Jahre stehen geblieben zu sein. Osteuropäische Ursprünglichkeit ist spürbar. Industrie, Firmen, Fabriken sind kaum vorhanden. Flaches weitläufiges Terrain bestimmt das Landschaftsbild. Über die grünen Weiden und Wiesen kann man kilometerweit blicken. Winzige Dörfer, kleinste Siedlungen in einem dünn besiedelten Landstrich.
Ein kleines Städtchen
Wir sind nur noch 15km von der slowakischen Grenze entfernt. Die kann man über den 500m hohen Dulkapass überwinden. Der war in beiden Weltkriegen hart umkämpfter Schauplatz von Kämpfen. Spuren soll es dort noch heute geben. Altes Kriegsmaterial. Ein Mahnmal erinnert an die Toten.
Dukla erging es nicht anders. Die
jüdischen Einwohner, deren Vorfahren sich bereits im
14. Jahrhundert in dem kleinen Städtchen
ansiedelten und ¾ der Bevölkerung ausmachten, qualvoll ermordet.
Grausamkeit prägten den Ort seit seiner Entstehung. Von den Ungarn
geplündert und niedergebrannt, größte Zerstörungen im Ersten
Weltkrieg mit anschließender Pogrom. Dunkle Kapitel.
Auffällig ist nur die Kirche. Ein
durchaus prachtvolles Gotteshaus. Erinnert mich irgendwie an eine
bayerische Wallfahrtskirche. Vom Architekturstil her. Die
farbenreichen Kunstblumen den Gräbern auf im angrenzenden Friedhof
verwandeln ihn in ein buntes Blumenfeld.
Krosno – letzte Station
Wir fahren nicht in Richtung Duklapass,
sondern entgegengesetzt. Nördlich ins 15km entfernte Krosno. Eines
der ältesten Ölförderungsgebiete der Welt. Vor 150 Jahren wurde
bereits Erdöl gefördert.
Die Schächte wurden in den Anfängen
mit der Hand in den Boden gegraben. Einige Fördertürme kann man
sogar aus der Ferne sehen. Doch es ist nicht der wichtigste
Wirtschaftszweig der 45000 Einwohner in und um Krosno. Die
Glasindustrie hat in diesem Bezug die Nase vorn. Vielleicht sogar das
bedeutendste Zentrum des Landes. Mit tausenden Arbeitsplätzen. Die
erste Blütezeit begann drei Jahrhunderte vorher. Man entwickelte
sich zum Handelszentrum. Jeder profitierte. Jedoch ist alles
vergänglich. Besonders mit der Zugehörigkeit zu Österreich. Die
beiden Weltkriege und die jeweiligen Besetzungen hinterließen
ebenfalls ihre Spuren.
In der Innenstadt ist der Rynek der
Hauptanziehungspunkt. Die alten Laubengänge, die umliegenden
Bürgerhäuser geben dem großen Platz ein beschauliches Flair mit
einigem Charme. Zwei Kirchen befinden sich in unmittelbarer
Nachbarschaft. Eine Pfarrkirche im Stil der Renaissance und eine
Franziskanerkirche. Eine sticht besonders ins Auge. Die Basilika der
Dreifaltigkeit. Sie wurde im Gotik-Stil im 14. Jahrhundert errichtet,
der Innenraum soll besonders wertvoll sein.
In der kleinen Altstadt schlendern wir
ein wenig durch die Gassen. Am Jesuitenkolleg, am Rathaus, am Palast
der Bischöfe vorbei. Gebäude von historischem Wert. Eines ist das
Vorkarpatische Museum. Es zeigt eine besondere Ausstellung mit
speziellen Exponaten. Die größte Petroleumlampensammlung Europas
wird den Besuchern präsentiert. All jene Ensemble werden von eine
noch zu großen Teilen erhaltene Stadtmauer umschlossen.
Sonst verkörpert die Kleinstadt die
Bodenständigkeit der Menschen im Südosten Polens. Normales Leben in
den Vorkarpaten.
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