24 November 2014

Klingenthal – Saisonauftakt der weltbesten Skispringer



Der Wintersport erfreut sich in deutschen Landen großer Popularität. Besonders das Skispringen. Ikonen wie Jens Weißflog, Sven Hannawald oder Martin Schmitt haben mit ihren Erfolgen dafür gesorgt. In dieser Saison sind es junge Cracks, wie Andreas Wellinger, Richard Freitag oder Severin Freund, die unsere Farben hochhalten und sich gegen brutal starke internationale Konkurrenz aus Österreich, Slowenien, Japan oder Finnland erwehren. Darunter Seriensieger Gregor Schlierenzauer, Altmeister Noriaki Kasai oder der Olympiasieger von Sotschi aus Polen Kamil Stoch.

Seit einem Jahr sind diese Stars der Szene beim Auftakt der Winter-Weltcupsaison in Klingenthal zu Gast. Ein stimmungsvoller Auftakt. Nicht mehr diese Zuschauerarmen, tristen ersten Springen im europäischen Norden.




Die Vogtland-Arena im sächsischen Klingenthal. Am westlichen Rand des Erzgebirges. Direkt an der Grenze zu Tschechien. Seit jeher wird die Tradition des Winterports in der 9000-Einwohner-Stadt groß geschrieben. Und das seit 1929. Eine Schanze gab es früher, von den 60er bis zum Ende der 90er Jahre, am benachbarten Aschberg. Damals fanden dort die Weltcupspringen des Internationalen Skiverbandes statt. Heute ist es die Vogtland-Arena, eine der modernsten Großschanzen der Welt. 2005 wurde sie fertiggestellt. Über 145m kann auf ihr gesprungen werden. Das grenzt fast an Fliegen.

Die futuristische Architektur des 30m hohen Schanzenturms ist „vom Tal“ aus sehr beeindruckend. Die oberste Aussichtskapsel schwebt förmlich. Durch die Glasfront können die Athleten hinunter auf die ihnen zu jubelnden Fans schauen. Der längliche Kampfrichterturm steht dem in nichts nach.

Über 8000 Fans sind zum Einzelspringen am Sonntag in das weite Rund gepilgert. Am Samstag, zum Mannschaftsspringen, waren es nicht viel weniger. Wahre Begeisterung, auch wenn sie die eminent fleißigen Organisatoren gern noch mehr gewünscht hätten. Die haben wirklich etwas unvorstellbares vollbracht. Eine Woche vor diesem grandiosem Event war von Schnee auf der Klingenthaler Riesenschanze weit und breit nichts zu sehen. Kein Schnee, nirgends. Das milde Wetter Ende November lässt das nicht zu. Die Organisatoren, der einheimische VSC Klingenthal, wusste sich zu helfen. Aus Schweden wurde eigens eine Schneekanone zur Schneeproduktion „herangekarrt“. Die haben es geschafft. Ein weißer Streifen erstrahlt in grüner Umgebung. Eine unfassbare, organisatorische Leistung. Klar, dass da hohe Kosten auf sie warten. Mit einem Plus in der Zahlenbilanz ist bei diesem extremen finanziellen Aufwand sicher nicht zu rechnen. Da muss man kein Buchhalter sein.

Ihre Bereitschaft und ihr Einsatz wird belohnt. Das Wetter spielt mit. Kein starker Wind, kein Schneeregen. Optimale Bedingungen für ein faires Springen. Im letzten Jahr hatte man in dieser Hinsicht Pech.
Noch hängt der Nebel im Tal der Vogtland-Arena. Der Schanzenturm ist nicht erkennbar, er ist umhüllt von dichtem Nebel. Knackig frisch ist es, warme Kleidung ist Pflicht. Die Zwiebeltechnik bewährt sich. 30 Euro kostet der Eintritt pro Tag, Kombitickets gibt es auch. An der Tageskasse geht es schnurstracks voran.

10.15 Uhr ist der erste Probedurchgang angesetzt. Der findet statt, sind aber selbst nicht ganz pünktlich. Nicht so schlimm, nur die Ruhe vor dem Sturm. Manche der Favoriten springen oftmals gar nicht.
Vorher kann man sich an diversen Verkaufsständen mit Fanartikeln sämtlicher Art eindecken. Rasseln jeglicher Größen, Fahnen und Flaggen jedes teilnehmenden Landes. Hungern oder Verdursten muss auch niemand. Eine Reihe von Fressbuden erfüllt jeglichen Wunsch. Roster, Steak, Currywurst, Quarkbällchen und Schokofruchtspieße. Wirklich für jeden etwas dabei. Die Schanzenfleischtasche ist mein Favorit. Eine Art Pita mit Gyrosfleisch und Tzaziki. Köstlich und sättigend. Auf der Getränkekarte sieht es nicht anders aus. Glühwein, Bier, Radler, Kaffee in sämtlichen Variationen, die typischen Softgetränke. Im beheizten Zelt kann man sich aufwärmen. MDR Radio Sachsen sorgt für Musik und Abwechslung bei den Zuschauern. Vor, während und nach den Sprüngen.

Inzwischen ist der erste Durchgang im Gange. 50 Springer. Eine fantastische Atmosphäre. Die beiden Moderatoren haben sich im Vorfeld als Stimmungskanone erwiesen. Jeder wird bejubelt. Schwarz-Rot-Gold – Team Germany natürlich noch euphorischer. Die Fahnen schwenken, die Rasseln rasseln, die Tröten sind lautstark im Einsatz. Jedes Mal ein wahres Fahnenmeer aus deutschen, polnischen, tschechischen, norwegischen und grünen Fahnen mit der Aufschrift „So geht sächsisch“. Sie gab es kostenlos am Eingang, dementsprechend oft werden sie geschwenkt.
Der Nebel ist verzogen, die Sonne kommt hervor, strahlt uns direkt ins Gesicht. Angenehm.

Über 140m segeln die besten Skispringer. Auch zwei Deutsche mischen vorne mit, Andreas Wellinger führt nach einem starken ersten Durchgang. Legende Noriaki Kasai ist mit seinen 42 Jahren immer noch am Start. Ein Wahnsinn. Nach ungefähr 45 Minuten ist der erste Sprungdurchlauf Geschichte.

Die Athleten bereiten sich vor ihren Holzhütten, direkt neben dem Schanzenauslauf, auf den Finallauf vor. Warmmachen, Konzentrieren. Der Zuschauer ist hautnah dabei, kommt sogar mit ihnen in Kontakt. Das ist besonders. Eine fast schon familiäre Atmosphäre.
Kurze Verschnaufpause. Aufwärmen im Zelt. Dazu ein Glühwein und eine Roster. Danach geht es wieder hinaus in die Arena. Der zweite Durchgang ist bereits im Gange. Der Star der Szene der vergangenen Jahre, Gregor Schlierenzauer, ist weit von seinen Bestleistungen entfernt. Mehr als für eine Platzierung im Mittelfeld reicht es nicht. Seinem Landsmann Kofler, immerhin Vierschanzetournee- und Olympiasieger, geht es nicht anders. Auch Severin Freund hat nicht die beste Tagesform erwischt. Macht nichts, die Form wird kommen.

Es wird spannend. Die besten des ersten Durchgangs stehen oben am Backen. Nun entscheidet sich der Sieg. Sprünge über 140m sind nicht mehr zu erwarten. Die Thermik im Hang ist nicht mehr da. Nur der Tscheche Roman Koudelka behält die Nerven. Schiebt sich Platzierung um Platzierung nach vorn. Nun Andreas Wellinger., das neue Milka-Gesicht nach dem Abtritt von Martin Schmitt. Noch einmal schreit die gesamte Arena „Ziiiieeeeeehhhhhhh“ nach oben. Die Fahnen wehen, die Rasseln und Tröten toben. Elegant landet er, bekommt gute Noten. Doch es reicht nicht, am Ende ist es ein respektabler 3. Platz. Die Zuschauer jubeln trotzdem. So ist Sport. Die Tschechen neben uns ganz besonders. Ihr Landsmann hat triumphiert.

Ein grandioser Skisprungwettkampf ist nun zu Ende. Beste Werbung für diesen Sport. Beste Werbung für Klingenthal, das durch die allgemeine Präsenz in den Medien, der Wettkampf wurde in vielen Ländern live übertragen, positiv für Aufsehen sorgt. Schlussendlich muss der Veranstalter entscheiden, ob man jährlich das Risiko einer defizitären Veranstaltung in Kauf nehmen will. Für die Region ist es von enormer Bedeutung.
 

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