02 November 2014

Nach 40 Jahren - Eine Brücke verbindet Ost und West!

 


Brücken verbinden Orte und Landschaften miteinander. Sie erleichtern das Erreichen von A nach B. Ihre Funktionalität ist unbestritten. Manchmal haben sie eine tiefsinnigere Bedeutung. Eine Symbolkraft. Eine Signalwirkung. So wie diese.

Eine davon ist die Saalebrücke von Rudolphstein. Heute heißt sie „Brücke der Deutschen Einheit“. Sie überspannt die Saale und damit die thüringisch-bayerischen Landesgrenze. Zu finden ist das durchaus beeindruckende Bauwerk auf der Bundesautobahn 9, also kurz gesprochen A9, zwischen den Anschlussstellen Lobenstein und Rudolphstein. Fährt man darüber, nimmt man natürlich nichts von ihrer Konstruktion war. Die überdimensionalen braunen Schilder weisen darauf hin, dass hier einst die ehemalige deutsch-deutsche Grenze ihre Schneise durch das Saaleland zog.



Darum wollen wir hinunter ins Tal, zu den Füßen, zu den Brückenpfeilern. Unser Weg dahin, beginnt in Sparnberg, dem ersten Ort auf thüringischer Seite. Direkt an dem rechten Saaleufer gelegen und somit an der ehemaligen Grenze. Das kleine verschlafene Nest erreichen wir aus Richtung Rudolphstein, über eine enge Holzbrücke, im Jahre 1993 nach der Wende wiedererrichtet, überwindet den Fluss und schafft Zugang zu dem kleinen Dorf.

Der erste visuelle Eindruck stimmt schon einmal. Die im 15. Jahrhundert erbaute Kirche in warmen sandfarbenen Tönen ragt durch ihre Lage auf einer Anhöhe und mit ihrer Größe heraus. Unterhalb von ihr fügen sich die Fachwerkhäuser mit den mattschwarzen Schieferdächern nahtlos ins Bild. Flankiert wird das Örtchen von den seitlich umliegenden Anhöhen, die mit typischen Baumarten unserer Klimazone bewachsen sind. Ungefähr 150 Menschen leben in dem Ortsteil der Stadt Hirschberg, der über mehrere Jahrhunderte sogar Stadtrechte besaß. Laut einer Legende sollen die Sparnberger den damaligen böhmischen König Wenzel II. auf einer seiner Flucht beköstigt haben und aus Dankbarkeit die Stadtrechte und die damit verbundenen Privilegien verliehen haben. Ob das stimmt?! Man weiß es nicht. Eine Burg soll es auch einmal gegeben haben, dass war früher, im 9. Jahrhundert. Mauerreste sollen davon heute noch erhalten sein. Uns sind sie nicht über den Weg gelaufen. Der traurigste Teil der Historie Sparnberg ist sicherlich der jüngere. Die Lage am Eisernen Vorhang prägte den Ort von 1949 bis 1989 entscheidend. Die Bewohner waren von Mauern, Stacheldraht und Zäunen umzingelt. SED-Funktionäre bespitzelten jede Handlung, Grenztruppen meldeten jeden Verstoß. Die Ausweise der Sparnberger Bevölkerung hatten in den ersten Jahren der DDR sogar rote Stempel darin. Diese musste man am Schlagbaum immer vorzeigen. Ohne Stempel war man ein Niemand. Rein oder raus, nichts von beiden war ohne ihn möglich. Welch Schicksal. Welch Schicksal, in seinem Leben und seiner Freiheit so beschnitten zu werden.

Unser Weg zum eigentlichen Ziel beginnt nun. Den Lärm der Autobahn kann man deutlich wahrnehmen. Geschätzte 3km laufen wir auf dem Kammweg zur Brücke. Durch blühende Natur. Wir wandern im Grünen Band, dem Geländestreifen der ehemaligen Demarkationslinie zwischen Ost und West, in der sich innerhalb von 40 Jahren eine einzigartige Natur entwickelt hat. So auch in diesem Abschnitt. Der Kolonnenweg ist angenehm zu laufen. Man läuft auf Beton. Lochplatten sind als Untergrund verlegt. Aufpassen ist ab und an trotzdem angesagt. Teilweise kann man in den Hohlräumem dieser Platten mit dem Fuß stecken bleiben. Zu DDR-Zeiten war das ein Patrouillen- und Versorgungsweg für die positionierten Grenzposten. Deswegen die Verlegung der Platten, machte es einfacher.
Da sind wir, die Brücke ist vor uns. Eigentlich sind es zwei. Die alte und die neue. Direkt nebeneinander. Die alte, die Gewölbebrücke, wurde 1936 nach einem Jahr Bauzeit in Betrieb genommen. 3 Millionen Reichsmark hat das Teil gekostet. Es wurde geglotzt statt gekleckert. 8 halbkreisförmige Bögen stützen das 254m lange Monument bei einer Höhe von etwa 35m. Das ist schon gewaltig. Zum Ende des 2. Weltkrieges wurde sie von deutschen Truppen empfindlich beschädigt. 21 Jahre passierte nichts. 1964 schloss die BRD und die DDR einen Vertrag über die Instandsetzung der Gewölbebrücke. Die BRD hat gezahlt, die DDR gebaut. 5,5 Millionen Mark hat das Projekt gekostet.

Die neue Brücke hat eine andere Bauart. Es ist eine Spannbetonkonstruktion mit neuen Stützpfeilern. Sie wurde 1996 errichtet, kostete 14 Millionen DM. Viele, viele Millionen wurden hier verbaut. Unsummen, die für uns Ottonormalverbraucher gar nicht greifbar sind. Notwendig wurde sie, weil die alte Brücke für das erhöhte Verkehrsaufkommen nicht mehr ausreichend war. Eine einfache Lösung, einfach daneben gebaut. Kluges Deutschland.
 
 
Wir gehen unter die Pfeiler, mitten unter der Brücke laufen wir zur Saale. Links die geradlinigen Betonpfeiler der „neuen“ Brücke, rechts die steinernen Stützen der „alten“. Es ist aber nicht nur die schreckliche DDR-Zeit, auch der Nationalsozialismus hat schockierenderweise seine Spuren hinterlassen. Wir glauben es kaum, was uns im Vorfeld durch die Internetrecherche schon berichtet wurde. Nach kurzer Suche an den Pfeilern der alten Brücke entdecken wir es. Am vierten werden wir fündig. Wir sind sprachlos und schockiert. Das Hakenkreuz wurde beim Bau der Brücke in die Mauern eingearbeitet. Es ist deutlich erkennbar. Unglaublich. Zwar wurde versucht, die Farbe der Steine zu verändern, genutzt hat es nicht viel. Wahnsinn, das hätten wir nicht gedacht. Das bleibt in Erinnerung. Kein Halm, kein Busch wächst unmittelbar darunter, nur staubtrockener Boden. Die Saale fließt am südlichen Beginn der Brücke hindurch. Unmittelbar an der der Anhöhe, die erneut bewaldet ist. Breit ist sie nicht, kein ausgebauter Strom. Sehr natürlich der Flusslauf. Wie das gesamte Landschaftsbild. Weite grüne Wiesen und dichte Wälder bestimmen es. nichts ist mehr von dem tödlichen Grenzstreifen zu sehen, das Grüne Band lebt. Fast vergisst man die schreckliche Vergangenheit. Nur Idylle weit und breit. Einzig der Lärm der Autobahn stört.
 
 
 
 
 

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