Sanfte Hügel, saftige Wiesen. Bad Brambach. Erholung und
Entspannung. Abgelegene Dörfer. Vulkanberge. Staatsbäder. Freundliche Menschen.
Bad Elster. Scheinbar unentdeckte Natur. Schlagwörter, die eine Region
charakterisieren. Ein deutsches Mittelgebirge. Die Wenigsten kennen es. Grund
genug, es vorzustellen.
Wir beginnen unsere Entdeckungstour im südlichen Teil. Auf
der gut ausgebauten Landstraße durch das tschechische Egerbecken kann man den
Kapellenberg schon von Weiten sehen. Er thront über allem. Autos mit deutschen
Kennzeichen kommen uns entgegen. Billig einkaufen ist im Nachbarland nach wie
vor möglich. Das nutzen wir auch, zum Tanken natürlich. Im Örtchen Haslov
bietet sich dafür die ideale Möglichkeit. 10km von der Staatsgrenze entfernt
ist der Liter Benzin noch einmal um einige Cent billiger. Eine Packung
Karlsbader Obladen nehmen wir bei der Gelegenheit gleich mit, als Verpflegung
für unterwegs. Mit Haselnussgeschmack. Lecker, lecker. Schnell treffen wir auf
die Staatsgrenze. Früher ein frequentierter Grenzübergang. Durch das Schengener
Abkommen und dem EU-Betritt Tschechiens
problemlos passierbar, keine Grenzkontrollen mehr. Die verwaisten Gebäude sind
noch Zeugnis einer anderen Zeit, heute
ohne Aufgabe und warten auf ihre Bestimmung.
Ein Ort und sein Berg
Eine kleine Ausstellung
kann man sich im Erdgeschoss anschauen. Bad Brambach und seine Ortsteile
wie Bärendorf, Reuth und Schönberg werden vorgestellt. Auch die Geschichte des
Turms wird dargestellt. Schon 1865 wurde hier ein Standgerüst als
Aussichtspunkt für Wanderer errichtet. Aber nicht nur deswegen, das hatte auch
noch einen anderen Grund. Dieses besagte Gerüst wurde um eine Vermessungssäule
errichtet. Welche heute noch im Inneren
des Turms zu sehen ist. Auf den ersten Blick nimmt man sie gar nicht wahr, weil
man nur mit dem Treppensteigen beschäftigt ist. Seit 1931 gibt es hier einen
begehbaren Turm. 1968 übernahm die Politik das Kommando auf dem Kapellenberg.
Eine sowjetische Radarstation, die Spionage lässt grüßen, wurde installiert.
Ein Klassiker, den Menschen wurde auch dieser Berg weggenommen. Nach einer
zwischenzeitlichen Sprengung ist der heutige Aussichtsturm 1993 wiedererrichtet
worden. Symbolhafte Geschichte am Beispiel eines kleinen Turms. Danach geht es
weiter im Plan. Bärendorf ist nur einen Steinwurf entfernt. Die Häuser im Ober-
und Unterdorf sind an einer Hand abzuzählen. Umgeben von Wald fühlt man sich hier
abgelegen. Jenseits von Gut und Böse. Handynetz ist nicht verfügbar, unweit der
tschechischen Grenze. Das motorisierte Vehikel stellen wir ab. Die Quelle der
Weißen Elster entspringt ganz in der Nähe. Laut Ausschilderung 2,5km Fußweg.
Etwas weniger als eine Stunde werden wir schätzungsweise brauchen.
Detail im Original – das Vogtländische Freilichtmuseum
finden
immer neue Details. Draußen, neben dem nachgebauten Backhaus, stoßen wir auf den „Streichelzoo“. Schafe mit
kleinen putzigen Lämmern. Das große Füttern beginnt. Die Blätter des Löwenzahns
sind heiß begehrt. Ihre Nachbarn sind die Ziegen. Der Futterneid und der
darauffolgende Kampf bleibt nicht aus. Wir bleiben allerdings gerecht, jeder
bekommt von uns und das nicht zu wenig. Eine halbe Stunde sind wir locker mit
den Tieren beschäftigt, wir finden schon gar keine Löwenzahnblätter mehr. Sie
haben es aber auch ohne uns gut. Der Weg zu den Gebäuden, drei an der Zahl,
ebenfalls Wohnstallhäuser , ist wahrlich nicht weit. Jetzt wissen wir auch,
dass die Ställe noch ihre Verwendung finden. Die Ziegen und Schafe sind dort
untergebracht. Daneben der Kaninchenstall. Ja der Kaninchenstall, wieder
Fütterungszeit, wie bei kleinen Kindern. Die Blätter des Löwenzahns werden von
der Wiese gepflückt. Die kleinen Tierchen reißen sich um uns, naja eher um
unser Futter. Jedes bekommt eine reichliche Portion serviert. Nimmt man die
Treppen nach oben, sind in diesen Räumen wieder die Blockstube und der
Schlafraum zusehen. Die Einrichtung entspricht dem Stand der 1920er Jahre. Wir
hören schon die Hühner gaggern, der Hahn mit seinem prachtvollen Gefieder kräht
sich die Lunge aus dem Hals. Sobald weibliche Personen am Zaun stehen, wird er
wild, gehen die Hormone mit ihm durch. Oberhalb des Hühnerquartiers wartet, in ihrem kleinen Gehege mit einem
Unterschlupf, ein Schaf auf ein besonderes Ereignis. Auf die Geburt ihres
Lämmchen. Die ist trächtig. Man sieht das Kleine im Mutterleib sich bewegen. Es
will raus. Wir füttern sie, wie die anderen. Das Tierherz in mir schlägt höher.
Der Weg führt uns wieder hinauf, vorbei an den Gehegen des
Streichelzoos zum Innenhof. Die Besucher sitzen hier auf einer der vielen
Bänke. Das kommt später für uns. Zuerst gehen wir in die Scheune, die mit den
Wohnhäusern verbunden ist. Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Geräte
steht im Mittelpunkt. Das Thema Ernte spielte in den noch nicht
industrialisierten Zeiten eine überlebenswichtige Rolle. Eine Menge
verschiedener Geräte, von der Egge bis zum Pflug, werden gezeigt. Das sind
einige Kuriositäten dabei. Das Gebäude ist ein besonderes. Besonders, weil es
unter Einflüssen Egerländer Fachwerks
und dem Giebelumgebinde steht. Es hebt sich von den anderen deutlich ab. Sie
dominieren durch ihre Einfachheit und Notwendigkeit. Im Stall des Wohnhauses
kann man sich im Kühe melken versuchen. Hier steht keine lebende Kuh, nein.
Eine gusseiserne Nachbildung, fast durchgerostet, aber funktionstüchtig. Ich
setze mich auf den winzigen Hocker, Schemel in der Fachsprache der Bauern
genannt, der ist wahrscheinlich für Kleinkinder konzipiert. Die Zitze greife
ich am Euter mit dem Daumen und
Zeigefinger und streife sie nach unten gefühlvoll, aber mit Druck, mit allen
Fingern aus. Anfangs tue ich mir schwer, nach einigen Versuchen jedoch gelingt
es mir schon recht gut, ich könnte Melker sein. Zwar spritzt keine Milch heraus,
sondern nur Wasser, aber es geht um den Effekt. Im Nachbarzimmer befindet sich
die Rußküche. Der dortige Backofen ist noch funktionstüchtig. Im Obergeschoss erneut diese typischen
Wohnräume, in großem Detailreichtum.
Alte Schränke mit reichlicher Verzierung und Bemalung finden ihren
Unterschlupf unter dem Dachboden, werden in verschiedenen Varianten
präsentiert.
Unser Rundgang neigt sich dem Ende. Über zwei Stunden sind
wir auf dem Gelände schon unterwegs, streifen durch die Häuser. Sind kaputt.
Zum krönenden Abschluss gönne ich mir noch ein Fettbrot auf die Hand. Sehr
herzhaft, sehr lecker. Wir nehmen auf
eine der zahlreichen Bänke in dem
Innenhof Platz, staunen über das Gesehene. Ein Eintrag in das Gästebuch darf
nicht fehlen. Ein hochinteressantes Museum, geprägt von einer riesigen Unmenge
an Ausstellungsstücken, aber trotzdem mit vielen kleinen Details liebevoll und
originalgetreu eingerichtet. Jedes Sachzeugnis hat seinen Platz gefunden. Jedes
Haus ist anders, jeder Raum ist anders. Das Museum lebt von einer großen
Authentizität in seiner Darstellung. Es zeigt die harte Arbeit über das Leben
zu damaligen Zeiten. Das war kein Zuckerschlecken. Man fühlt sich teilweise
zeitversetzt. Immer wieder entdecken wir neues, daher wird es nie langweilig.
Trotzdem bleibt es nicht aus, dass man sich irgendwann erschlagen fühlt. Nicht
mehr aufnahmefähig ist. Einen besseren Überblick über das vogtländische Leben
auf dem Lande im 19.und 20. Jahrhundert kann man nicht bekommen. Das hätte ich
nie gedacht, was man für 3 Euro geboten bekommt. Sehr empfehlenswert.
Wir fahren wieder hinunter, zur alten Poststraße. Wir wollen
über einen kleinen Abstecher nach Bad Brambach, dem Zwillingsbruder des
Sächsischen Staatsbades Bad Elster. Der Abstecher heißt Raun. Ein abgelegenes
Örtchen, ein sogenanntes Waldhufendorf. Lang gezogen, die einzelnen Grundstücke
haben einen Abstand von 50 bis 100m. Nachbarschaft gibt es da im eigentlichen
Sinne gar nicht, jeder ist für sich. Wieder dieses Gefühl, in einem Teil Deutschlands zu sein,
wo der Zeiger der Uhr einen Tick langsamer schlägt, die Welt seinen eigenen
Rhythmus hat. Einen erheblichen Anteil daran trägt die für diese Region
typische und charakteristische Natur. Einige Fachwerkhäuser, auch im Egerländer
Stil oder als Umgebindehaus, sind noch sehr gut erhalten. Die weiße Dorfkapelle
gehört zu den ältesten in der Kulturregion Vogtland. Leider endet die Straße in einer Sackgasse.
Wir hatten gehofft, über Raun in den Kurort Bad Brambach zu gelangen. Ein
Irrtum. So standen wir, kurz vor der Staatsgrenze, vor dem Ende der Straße, vor
uns nur Wald. Also Kehrtwende und zurück die 4 km, zur Bundesstraße.
Festhalle mit Schwanenteich |
Erholung - Ein Besuch im Staatsbad kann nie schaden!
Das Wettinhaus |
Es ist jetzt circa 17 Uhr, Bad Brambach ist unser letztes
Entdeckungsziel. Tief im Tal versteckt sich die kleine Stadt, rundherum die
Erhebungen des Elstergebirges, bewachsen mit sattem Grün oder mächtigen Bäumen.
Bilderbuch. Bekannt ist der Ort wahrscheinlich
durch die Bad Brambacher Mineralquellen GmbH, die Softgetränke jeglicher
Geschmackssorte produziert. Sie gehören übrigens zur Kulmbacher Brauerei. Das
Firmengebäude befindet sich außerhalb, direkt an der Bundesstraße. Der Kurort
an sich ist unspektakulär. Der Ort ist modern, die vergangenen Reliquien aus
DDR-Zeiten sind auf den ersten Blick beseitigt. Man lebt von der Kur. Bereits
1860 wurde die erste Quelle entdeckt, die Schillerquelle. Genutzt wurde sie zur
Mineralwasserversorgung. 1911 begann der Kurbetrieb mit der Erschließung der
Wettinquelle. Angeblich die stärkste Radiummineralquelle der Welt. 1922 erhielt
man den Beinamen Bad zu Brambach. Nach 1949 dienten die Kureinrichtungen als
Sanatorium für die sowjetische Armee. 1949
gelang es in die Hände der SED-Führung. Nach erster Sanierung verpasste
man die moderne Entwicklung eines Kurorts bis zur politischen Wende 1989.
Fakten. Fakten, Fakten. All das kann man im Kurpark nachlesen. Auf Schautafeln
mit interessanten Zusatzinformationen
und Bildern aus den beschriebenen Zeiten. Damit sind wir schon im
Herzstück des Kurbereichs, dem historischen Kurpark. Sehr großzügig mit einer Fläche von 16 Hektar. Die
Zeit, den Park zu erkunden und zu erlaufen, sollte man sich nehmen. Er spiegelt
die Fauna und Flora, die wohltuende Natur des Elstergebirges wieder. Bis zur
Grenze erstreckt sich die Parklandschaft, die Grenzquellen finden in diesem
Teil ihren Ursprung. Die Festhalle mit dem Schwanenteich bildet das
Schmuckstück dieser Anlage, sie strahlt in ihren Ockerfarben. Ein
Veranstaltungsort für Konzerte und Feierlichkeiten. Sehr repräsentativ. Wir
setzen uns auf eine der zahlreichen Bänken um den Schwanenteich herum.
Traumhafte Kulisse, die Enten schnattern über den Teich, der von dem ruhig
fließenden Rothenbach gespeist wird. Eine Idylle. Die Rabatten und Rondelle mit
ihren blühenden Blumen zieren die Gehwege links und rechts, ein wahrlicher
Blütenteppich, besonders im vorderen Teil des Kurparks. Das ein oder andere
Wasserspiel, sei es in Form eines Brunnens oder der kleinen Staustufen des
Bachlaufs runden das äußerst positive Gesamtbild ab. Im Vergleich zu seinem
Zwillingsbruder, dem Kurpark in Bad Elster, ein himmelweiter Unterschied.
Einziges Manko meiner Meinung, man findet eigentlich überhaupt keine Geschäfte,
wo man sich vielleicht etwas Schickes oder etwas typisch Vogtländisches kaufen
kann, das fehlt ein wenig. Das Cafè gegenüber der Festhalle genießt da auch
eine gewisse Monopolstellung. Ein paar Schritte entfernt liegt das Wettinhaus.
Integriert in einer Art Säulenhalle kann man das Wasser der verschiedenen
Quellen trinken. Einfach aus dem goldenen Brunnen das jeweilige Quellwasser
abzapfen, probieren und trinken. Schiller- , Wettin- und die Grenzquellen gibt
es im Angebot. Die Gläser an der Theke stehen
zur kostenlosen Benutzung zur Verfügung. Wir setzen uns in den offenen
„Wintergarten“, durch die Glasfront sehen wir hinaus in den Park, beobachten
die vorbeigehenden Menschen und blicken auf einen Schandfleck. Ein ehemaliges
Kurhotel gammelt förmlich vor sich hin, gezeichnet von Vandalismus mit
eingeschlagenen Fensterscheiben. Das passt nicht zu dem ansonsten sehr natürlichen,
sehr gepflegten Kurpark. Ein Kommen und Gehen in dem modernen und sauberen
Trinkbereich, die Angestellte der Kureinrichtung musste sich sputen, um mit dem
Gläserspülen nachzukommen. Mittlerweile regnet es draußen, der Himmel hat sich
mit den dunklen Wolken verfinstert. Ein Grund mehr, es uns etwas länger
gemütlich zu machen. Da werden aus einem Glas ganz schnell einmal 5 bis 6.
Schließlich muss jedes Wasser gekostet und geschmeckt werden, ausführlich um am
Ende selbstverständlich bewertet zu werden, welches dem eigenen Gaumen am
besten gefällt. Vom Salz- und Eisenhaltigen bis zum Natürlichen ist jede
Geschmackskategorie dabei. Der Wasserbauch und das Melden der Blase mit der
freundlichen Bitte nach dem Gang zur
Toilette lässt nicht lang auf sich warten. Der Blick richtet sich zu dem
Gebäude gegenüber, das mit den nicht gespiegelten Glasfronten. Fünf bis sechs
geschossig. Physiotherapie, Rehabilitation, Kosmetik und Wellnessbereiche sind
darin untergebracht. Im Erdgeschoss befindet sich die Sauna - und
Badelandschaft. Zeit zu relaxen. Wir überlegen, den Saunabereich mit zu buchen,
entscheiden uns aber dagegen. Wir planschen eineinhalb Stunden. 32 Grad warm
ist das Becken innen. Man fröstelt leicht, wenn man von innen nach außen
schwimmt. Logischerweise ist es draußen etwas kälter. Das Becken für Kurgäste
zur Rehabilitation ist da schon deutlich wärmer. Ich liebe warmes Wasser,
Warmduscher oder Warmbader sozusagen. Es soll wohl den Whirlpool ersetzen, den
vermisst man nämlich. Trotzdem verlassen wir das Bad entspannt und erholt.
Verwundert, so einen schönen Flecken noch gar nicht auf dem Radar gehabt zu
haben. Der Kapellenberg, das Vogtländische Freilichtmuseum, der Kurort Bad
Brambach mit seinem historischen Kurpark und diese wunderschöne Landschaft haben
beeindruckt. Dazu diese Ruhe, diese Entspannung abseits von Lärm, zumindest an
diesem Tag, würde für viele ein ideales Urlaubsziel für einige Tage sein. Schade,
dass es nur wenige wissen, dass nur wenige dieses Elstergebirge kennen, eine
Region, in der Entspannung und Erholung ganz groß geschrieben wird.
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