19 Juni 2015

Ein Kulturdenkmal überdimensionaler Art – das Salzbergwerk Wieliczka (Teil 18)


Das Salzbergwerk Wieliczka, seit jeher ein Anziehungspunkt für Touristen. Nur 15km von Krakau entfernt. Im gleichnamigen Städtchen, das mit seinen 21000 Einwohner nicht nur im Speckgürtel Krakaus liegt, sondern natürlich zusätzlich von diesem Touristenmagneten. Die Entwicklung einer ganzen Stadt wurde von diesem omnipräsenten Salzbergwerks bestimmt. Das führte zu großem Reichtum im 16. Jahrhundert, der in den folgenden Zeit nachließ.



Auf den vierspurigen Schnellstraßen benötigen wir mit dem Auto 25 Minuten. Recht fix. Zu verfehlen ist es so oder so nicht, diverse Schilder weisen den Weg direkt vor den Eingang,
Ein durchaus imposantes Eingangsgebäude. Die Stahlkonstruktion des Förderturms ragt in die Höhe.
Wir gehen hinein. Bahnhofsatmosphäre. Die nächsten Führungen in den verschiedensten Sprachen werden auf großen Hinweistafeln angezeigt. An den Schaltern können Tickets erworben werden. Die unzähligen Mitarbeiter sind augenscheinlich in feinen Kostümuniformen ausgestattet. Sehr adrett.

Es ist nachmittags 15 Uhr. Die nächste Führung in Deutsch findet erst in zwei Stunden statt, die in englischer Sprache in bereits 20 Minuten. Die Entscheidung musste nicht lang überlegt werden. Englisch, zum Großteil verständlich für uns. 168 Zloty kostet der Spaß, inklusive Fotogebühr.

Nach kurzer Wartezeit sind wir an der Reihe. Eine kleine, zierliche Polin ist unsere Führerin. Sie begrüßt uns freundlich in perfektem Englisch, mit typisch charmanten, osteuropäischen Akzent. Über einen Guide können wir sie jederzeit verstehen und hören, was sie uns erklärt.
Vorher müssen wir Treppen steigen, viele davon. Zum Glück nur hinab. Über 200 Stufen. Gegen Ende ist mir schwindelig, nahezu wie im Karussell fühle ich mich. Unten angekommen, in 135 Meter Tiefe, legt sich das glücklicherweise rasch wieder. Angenehme 15 Grad herrschen hier unter Tage. Eine schnelle Einweisung noch und die Tour startet. Zwei Stunden wird sie dauern, alles zu Fuß.


Ein Salzbergwerk überdimensionaler Art. Vier Quadratkilometer groß. Ein riesiges Netz an unterirdischen Gängen. 300km lang. Eine Woche bräuchte man dafür. Ein Labyrinth. Unmassen an Holz, Millionen von Stämmen, wurden verbaut, zur Stütze und Sicherung. An der Seite kann man das weiße Gold teilweise in dicker Schicht sehen. Fast schon ablecken. Immer wieder müssen wir durch große Türen hindurch, die verschiedenen Bereiche voneinander trennen. Auch um das ausgeklügelte Belüftungssystem, es ist nicht zu überhören, in Gang zu halten.
Ein extrem touristisch erschlossenes Bergwerk, die Ursprünglichkeit ist irgendwie verloren. Der Andrang ist ungebremst. Eine wahre Maschinerie.



Auf dem Weg sind mehrfach Szenarien aus vergangenen Tagen des Salzabbaus dargestellt. Die Bergmänner mussten schuften. Echte Knochenarbeit. Über 10 Stunden, kein Tageslicht. Pferde mussten die schweren Salzkarren kilometerlang ziehen. Bewährte Hilfe, allerdings erst seit dem 17. Jahrhundert. Später kamen industrialisierte Maschinen hinzu, erleichterten das Leben unter Tage. Auch jene werden präsentiert.
Einzelne Räume bekamen einen Namen. „The Upper Urszula Chamber“ ist so einer.
Das Verbrennen von Methan, was für die Arbeiter hoch gefährlich zu damaligen Zeiten war und viele Tote forderte, wird mittels Lichtshow eindrucksvoll inszeniert. Für den Besucher wird insgesamt einiges geboten. Sehr anschaulich.
Einige Sagen ranken sich um das Salzbergwerk. So auch die um Kinga, zu Deutsch Kunigunde, die sich in einer plastischen Darstellung wiederfindet. Die ungarische Königstochter und spätere Ehefrau Bolesaus' dem Schamhaften, ein herrlicher Beiname, soll einen Ring in eine Salzmine in Siebenbürgen geworfen haben, den sie als Mitgift von ihrem Vater erhielt. Kurz nach ihrer Ankunft in Polen entdeckte man jene riesigen Salzlagerstätten und jenen Ring, der in Siebenbürgen in die Mine geworfen wurde. Die Schutzpatronin Polens sollen eng mit der Entdeckung der Salzmine unter Tage in Verbindung stehen. Als die oberirdischen Salzquellen im 13. Jahrhunderte erschöpft waren, musste man neue Stätten erschließen. Unterirdisch war die einzige Alternative. Daher entdeckte man nach kurzen Suchen die Steinsalzlagerstätte. Die Grundlage für weitere Jahrhunderte Salzabbau. Als Königliche Salinen war der Stollen das größte Bergbauunternehmen in Polen. Ein Drittel der Einnahmen erwirtschaftet der Staat mit dem Salzbergwerk Wieliczka. Diese wurden unter anderem für den Bau des Krakauer Wawels genutzt.

Viele berühmte Persönlichkeiten besuchten die Salzmine. So auch Frederic Chopin, der weltberühmte Komponist. Ihm wird natürlich ein Raum gewidmet. Sein Wirken, seine Musikwerk machen die Polen stolz. Eine Statue ist Zeugnis dieser Huldigung. Sogar Johann Wolfgang Goethe, der zeitlebens an Bergbau stark interessiert war, besuchte Wieliczka, einen „Weimar-Stollen“ gibt es sogar. Die Statue Goethes darf natürlich nicht fehlen.
Immer wieder durchlaufen wir lange Stollengänge. Das Salz ist dabei unser ewiger Begleiter.



Ein Raum mit einer riesigen Höhe erwartet uns als nächstes. Hundert Meter geht es in die Tiefe. Um das herausgeschlagene Salz herauf zu bugsieren, wurde eine einfache mechanische Vorrichtung benutzt. Einen Seilzug, von Menschenhand betrieben. Klar, die Touristen dürfen sich daran ausprobieren. Die Freiwilligen vorne weg. Übereifrige gibt es immer. Wir schauen uns das Prozedere entspannt an. Spaß haben sie jedenfalls dabei, die Schubvorrichtung im Kreis anzudrehen. Nach wenigen Umdrehungen haben sie es geschafft, den Eimer, nicht gefüllt mit Salz, nach oben zu bringen.
Wir steigen die Holztreppen hinab. Viele Stufen. Erneut eine eindrucksvolle Konstruktion. Nur Holz. Überall, wo man hinsieht. Mittlerweile sind wir auf der zweiten Sohle, im bergmännischen Fachjargon zweites Untergeschoss, angelangt. Wer nun noch keine Fotogebühr entrichtet hat, wird es spätestens jetzt tun. Jeder fotografiert. Man hat gar keine andere Wahl. Besonders bei dem, was uns speziell noch erwartet.

Wir kommen in eine kleine Kapelle. Die Arbeiter errichteten sich eine Kapellen. Altare, an denen sie zu ihrem Gott beten konnten. Sehr gläubige Menschen sind die Polen, früher wie heute.
 
Kingakapelle – das Glanzstück



Dem Highlight nähern wir uns allmählich. Dem, warum diese Salzmine so weltberühmt ist. Die Kingakapelle. Ein Traum. Wunderschön. Mächtig beeindruckend. Über 32 Jahre haben sie dafür benötigt, hundert Meter unter Tage, eine gewaltige Kapelle zu errichten. 55 Meter lang, 18 Meter hoch. Der Altar, die verschiedenen Reliefs zur Darstellung abendländischer Themen, wie die Abbildung des letzten Abendmahls zeugen von großer Kunst. Gegenüber dem Altar befindet sich die Statue von Johannes Paul II. Die prächtigen Kronleuchter setzen das pompös in Szene. Uns lässt das nicht kalt. Wir setzen uns, genießen den grandiosen Anblick, lassen es wirken. Fünf Minuten Pause. Jeder darf sich umschauen, kleinste Details bewundern. Das Licht geht aus, die Show beginnt. Laser und Licht setzten die Kapelle brilliant in Szene. Aus dem Staunen kommt man nicht mehr heraus. Viel zu schnell ist die Zeit vergangen, die zierliche Führerin drängelt bestimmend. Noch heute wird die Kapelle für Veranstaltungen genutzt, Paare können für einen stattlichen Preis ihre Hochzeit zelebrieren. Ein letzter Blick.
Mit einem Hauch von Wehmut geht der Rundgang unter Tage weiter. Mittlerweile sind wir über eine Stunde unterwegs. Draußen müsste es bereits dunkel sein. Weiter geht es hinunter. Wir erreichen den Raum mit der höchsten Deckenhöhe. Eine massive Holzkonstruktion stabilisiert das Gesamte. Tonnen von Holz, mit weißer Farbe angestrichen. Imposant.

Zeitgleich gelangen wir zum tiefsten Punkt. Damit langsam dem Ende entgegen. Die „Josef-Pilsudski-Grotte“. Ein kleiner Salzsee hat sich angestaut. Noch heute ist das liebe Wasser ein Thema, ein durchaus bedrohliches. Ein Wassereinbruch im Jahr 1992 löste einen Tagebruch aus. Zum Glück konnte man das Kulturdenkmal retten, verhinderte einen Einsturz. Man förderte von nun an das Wasser nach oben. Daraus wurde sogar noch Siedesalz gewonnen. Noch heute gewinnt man es auf diese unkonventionelle Weise. Der reine Salzabbau wurde folglich ein Jahr später eingestellt.
Kunigunde, die Schutzpatronin des Bergwerks, sie hat wirklich eine eminent wichtige Aufgabe, kann hier nochmals angebetet werden. Wir genießen die letzten Eindrücke. Es ist das letzte Highlight auf unserer Reise durch das unterirdische Salzbergwerk von Wieliczka.

Klar, am tiefsten Punkt kann man noch einmal richtig shoppen. Souvenirs aller Art kann man in dem kleinen Lädchen, hundert Meter unter Tage, erwerben. Allen voran jegliche Sorten und Geschmacksrichtungen von Salz. Weißes Gold zur Dekorationen in die heimische Vitrine oder zum Kochen und Würzen natürlich.
Unsere zierliche Führerin verabschiedet sich nun von uns. Wir applaudieren ihr ganz artig. Abschließend verrät sie uns noch das Prozedere, um ans Tageslicht zu gelangen.

Der Weg nach oben dauert länger als gedacht. Wir haben mittlerweile über zwei Stunden auf dem Tacho. Am kantinenartigen Restaurant vorbei, führt uns der Weg zum Aufzug, der uns noch einmal nach oben befördert. Dort heißt es erst einmal warten. Noch können wir uns entscheiden, ob wir ans Tageslicht wollen oder einen Abstecher ins Museum unternehmen. Die zwei Stunden haben uns geschlaucht. Die Birne ist leer. Kurze Überlegung. Wir entscheiden uns, die Reise durch die Welt des Salzbergwerks Wieliczka zu beenden. Mitten drin in einem von der UNESCO geschützten Weltkulturerbestätte. Eine andere Dimension, auch im Hinblick auf die Maschinerie des Tourismus.
Ab in den Aufzug, wenn man es als solchen nennen kann. Eine winzige Zelle aus Gittern, in der wir uns hineinzwängen. Platzangst ist hier fehl am Platz. Augen zu und durch.

Die Auffahrt dauert nur wenige Sekunden, die Türen werden geöffnet. Das grelle Licht der Eingangshalle empfängt uns. Draußen ergreift wieder die Dunkelheit die Gewalt. Auf dem Weg zum Parkplatz sehen wir, ungefähr 500m Luftlinie entfernt, ein Zeugnis aus vergangenen Tagen, das Schloss von Wieliczka. Wundervoll beleuchtet.

Keine Kommentare: