Harrachov, unser Start am heutigen Tag. Es geht quer durch das Riesengebirge. Am Ende werden wir in Svoboda nad Upou und Horni Marsov sein, vom nordwestlichen in den östlichen Teil des Gebirges.
Einen Ort passieren wir als erstes,
Rokytnice na Jizerou. Komplizierter Name. Fünf Kilometer von
Harrachov entfernt. Direkt an der Kotel, dem 1435m hohen Berg, leben
die 2800 Einwohner in einem der wichtigsten Zentren im westlichen
Teil des Riesengebirges. Der Tourismus wird groß geschrieben,
besonders im Winter versucht man die Urlauber durch das Skigebiet mit
einigen Liftanlagen und Langlaufloipen anzulocken. Im Sommer ist die
Ausrichtung ebenfalls klar, die Konzepte sind auf die
Freizeitaktivitäten ausgelegt. Ziele und Berge zum Ersteigen gibt es
genug. Wie in allen anderen Orten auch. Im Moment herrscht Flaute,
was den Schnee betrifft. Warme 8 Grad lassen nicht einmal zu,
Kunstschnee zu erzeugen. Anfang Dezember geht hier und im gesamten
Riesengebirge diesbezüglich nichts.
Jablonec nad Jizerou ist die nächste
Stadt auf unserem Weg. Einige triste Ruinen begegnen uns am
Straßenrand, nicht nur in Jablonec. Sie zeugen von vergangener
Industrie. Textilindustrie, Glasherstellung waren die vorherrschenden
Wirtschaftszweige. Das war einmal. Heute sind sie nur Zeugnisse aus
jenen Tagen.
Linker Hand rauscht das Dörfchen
Ponikla an uns vorbei. In Vichova nad Jizerou trennen sich die Wege
von der Iser und von uns. Wir umfahren nun die Berge, bewegen uns
immer am Fuße des Riesengebirges.
Vrchlabi ist die zweite Stadt an der
Elbe seit ihrer Mündung auf dem Kamm des Riesengebirges, an den
Ausläufern jenes Gebirges. Die sieht man nur aus der näheren
Entfernung. Bis Spindlermühe sind es gute 15 Kilometer. Südlich
der Kleinstadt, in de 12000 Einwohner leben. Vrchlabi ist kein
Touristenort, ist nicht auf Urlauber angewiesen. Einige größere
Firmen haben sich in der Umgebung angesiedelt. Für die umliegenden
Dörfer und Ortschaften ist es die einzige Einkaufsmöglichkeit mit
Tankstellen, Supermärkten und Geschäften. Deutsche Discounter
finden ihren Absatz. Eine Stadt mit bodenständigen Charakter, die
Menschen leben einfach, bewältigen ihren Alltag. Wie alle anderen
auch.
Im Mittelalter war die
Haupteinnahmequelle der Abbau von Erz. Ein wirtschaftlicher
Aufschwung war damit verbunden. Vor allem Deutsche zogen in die
Stadt. Ende des 18. Jahrhunderts war das erschöpft. Nichts mehr da.
Die Textilindustrie sprang in die Bresche. Neue Fabriken entstanden.
Mit dem Augustinerkloster und dem
Schloss des ehemaligen Grafen Czernin-Morzin gibt es eine Handvoll
Sehenswürdigkeiten. Ein kleines Schmuckstück, dass in einem
Wasserkastell im 16. Jahrhundert zu Blütezeiten errichtet hat. Es
gilt sogar als erstes seiner Art im böhmischen Raum.
Heute ist das Stadtamt darin
untergebracht. Unmittelbar in der eher winzigen Innenstadt sticht das
barocke Rathaus am Marktplatz heraus. Die kleinen historischen
Bürgerhäuser und die Dekanatskirche komplettieren das Miniensemble.
Die Attraktionen sind
begrenzt in Vrchlabi. Eine riesige Indoor-Golf-Halle bietet eine
exotische Abwechslung in kalten und nassen Jahreszeiten. Außerhalb
Vrchlabis, direkt an der Bundesstraße Richtung Trutnov gibt es auf
der linken Seite einen Flugplatz für Segelflugzeuge. Die Flieger
kann man chartern und einen Turn über die Umgebung machen.
Perspektive einmal anders.
Wenige Kilometer weiter sehen wir eine
Art Liftanlage. Wir dachten erst, dass Personen mit dieser bewegt
werden. Bei näheren hinsehen wird jedoch klar, dass es sich um einen
Lastseilahn handelt. 8km soll die lang sein. Sie befördert die
abgebauten Kalksteine vom Steinbruch am Biner bis zum Baustoffwerk
von Kuzmine nad Labem. Die Karren am Seil bewegen sich sogar, werden
somit von einem zum anderen Ort gezogen.
In der Nähe von Cerny Dul verlassen
wir die gut ausgebaute Bundesstraße, biegen links ab. Es wird
hügeliger. Immer noch befinden wir uns am südlichen Fuße des
Riesengebirges. Ein Ort, der mit dem Hintergrund des Eisenerzabbaus
als Bergstadt im 16. Jahrhundert gegründet wurde. Der Kalkabbau kam
im 18. Jahrhundert hinzu. Heute ist es eher ein Wintersportort. Wir
fahren durch den langgezogenen Ort, der 700 Menschen hat, der Nebel
zieht, je höher wir kommen, mehr auf. Die Sicht wird trüber. Die
Pfarrkirche des Erzengels Michael im Renaissance-Stil und das Rathaus
mit den Vorlauben sind nun schemenhaft erkennbar.
Bereits am Ortseingang treffen wir auf
Skifahrer, die die Abfahrtpisten herunter rauschen. Sie fahren direkt
über uns, über die Brücke, die über die Straße führt.
Laut einer Sage entdeckte ein gewisser
Jan aus Chockov eine Wärmequelle. Es dauerte jedoch nachweislich bis
ins 17. Jahrhundert als Jan Adolf Schwarzenberg den Kurort offiziell
gründetet. Die ersten Einrichtungen entstanden. Über satte 30
radioaktive, thermale Mineralquellen finden ihren Ursprung im
Kurgebiet. Weltberühmt wurde der Kurort in der Heilung von
Kinderlähmung. Im Moment sind es eher die Erkrankungen am
Bewegungsapparat, die versucht werden, erfolgreich zu behandeln.
Mitten im Kurort sticht die Kolonnade
heraus. Erbaut wurde sie im Neurenaissancestil, verziert mit
Jugendstilelementen. Eine charmante Anlage mit Kurhaus, Schwimmbad
und Cafe. Durch das Wetter hat es nicht viele Leute auf die Straße
verschlagen. Die wenigen, die sich doch heraus getraut haben, sind
älteren Formats. Es macht fast einen verlassenen Eindruck. Trotzdem
scheint es ein traditionsreicher Kurort inmitten der Berge und Wälder
des Riesengebirges zu sein.
Weitere attraktive Bauten. Die
einfachen Häuser prägen den Ort. Mahagonibraune Holzhäuser.
Rustikal, gemütlich, bodenständig. Sie verkörpern diese
Natürlichkeit, den Charme und das Leben der nördlichsten Region
Tschechiens. Ein typischer Ort des Riesengebirges.
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