07 Juli 2015

Deutsche Minderheit in Polen - Opole (Teil 29)


Opole. Oppeln. Die größte deutsche Minderheit Schlesien und Polens lebt in der 120000 Einwohner-Stadt. Ein wichtiges Zentrum im schlesischen Raum. Das drittgrößte hinter Breslau und Katowice. Zwischen ihnen liegt die historische Hauptstadt Oberschlesien, das im Süden vom Sudetenvorland und im Norden von der Tiefebene Südpolens begrenzt wird.

Als Gründer Opoles gilt der Herzog Kasimir I., der im 13. Jahrhundert am Ufer der Oder eine Kaufmannssiedlung aus dem Boden stampfte. Deutsche, Flamen und Wallonen kamen in die neugegründete Stadt.Nach und nach entwickelte sich Infrastruktur, Handel und damit gesellschaftlicher Alltag. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts fiel das Herzogtum den Habsburgern in die Hände. Mittlerweile war Oppeln zu einem wichtigen Handelszentrum aufgestiegen. Allen voran die schlesische Tuchweberei. Immer wieder wechselten die Besitzer. Kontraproduktiv für eine Stadt.
Der Dreißigjährige Krieg zerstörte die Stadt nahezu komplett. Oppeln vegetierte vor sich hin. Bis zu jenen Jahren als mit der Zugehörigkeit zu Preußen die Germanisierung Fabriken und Manufakturen wurden gefördert. Ebenso der Häuserbau, Infrastruktur weiter verbessert, Behörden etabliert. Anfang des 19. Jahrhunderts war Opole schließlich ein Industrie- und Verwaltungszentrum. Der Anteil der Deutschen überwog, Polen waren nur noch eine Minderheit.



Das 20. Jahrhundert kam. Beide Weltkriege gingen vorüber. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Deutschen, nicht wie in anderen Gebieten, vertrieben oder zwangsumgesiedelt. Sie erhielten ein Bleiberecht. Ein Grund dafür war die vorherige Entwicklung eines slawischen Dialekts. Darum noch heute der stattliche Anteil an Einwohnern mit deutschen Wurzeln. Um die 2 Prozent soll der betragen.

Der Wiederaufbau begann. Die Zementwerke wurden allmählich in Betrieb genommen, die neben der Lebensmittelindustrie, unter anderem besitzt ein deutscher Joghurthersteller ein Werk in der Stadt, ein Flaggschiff der Oppelner Wirtschaft. Alte Häuser machten Platz für Grünanlagen, Bauwerke wurden originalgetreu restauriert. Moderner Wohnungsbau, nach sozialistischem Prinzip, schaffte Lebensraum.
Diesen prägenden Charakter ist noch heute vorherrschend. Einfacher, günstiger und bezahlbarer Wohnraum eben. 120000 Einwohner brauchen Platz.


Wir parken an der Straße Piastowka, unmittelbar an der Brücke, die uns den Weg in die Innenstadt weist. Von dort haben wir einen weiten Blick auf die breite Oder. Unter uns der Kanal Mühlgraben, der sich nur wenige später wieder mit einem der größten Ströme Europas vereinigt. Ursprünglich war der heutige Nebenarm der Hauptdurchfluss der Oder. Zwischen beiden befindet sich die Insel Pascheke. Jene, auf der wir eben parkten. Direkt vor dem Regierungs- und Verwaltungsgebäude des Bezirks Opole. Ein grauer Betonklotz. An jener Stelle stand einmal ein Schloss. Das wurde abgerissen. Nur der sich daneben befindente Piatenturm ist ein überlebtes Zeugnis aus den vergangen Tagen. 51 Meter ragt der gen Himmel. Das besondere Merkmal ist die kegelförmige Spitze auf dem runden Backsteinbau.

Wenige Minuten später, wenige Straßen weiter gelangen wir zum Rynek. Bis hierher war die Architektur recht unspektakulär. Normale Häuser reihen sich aneinander. Nur ein Gotteshaus fällt aus der Reihe. Die Kathedrale zum Heiligen Kreuz, die größte Kirche Oppelns. Seit den 70er Jahren hat sie den Status inne, ihre Historie geht aber ins Mittelalter zurück, an jener Stelle eine Holzkirche stand. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die barocke Charakteristik durch die gotische ersetzt. Ein imposantes Gebäude. Einige hundert Meter weiter, sieht man das nächste Gotteshaus. Die Kirche des heiligen Sebastian. Sie ist mit ihrem barocken Erscheinungsbild dem Schutzpatron der Pestkranken geweiht.
Der Ring bzw. der Rynek ist der zentraler Platz Opoles. Bereits im Mittelalter war er eine wichtige Kreuzung bedeutender Handelswege wie Via Regia und Bernsteinstraße historische Bürgerhäuser mit den barocken und klassizistischen Fassaden, die man nach dem Krieg mühsam in ihrem originalen Erscheinungsbild wiederaufbaute, umrahmen das rechteckige Areal. In der Mitte ist das Oppener Rathaus gelegen. Das herausragendste Bauwerk im Stile eines florentinischen Palastes. Ein Hauch von italienischem Flair im tiefsten Polen. Charmant. Der Rathausturm dominiert mit seinen satten 62m Höhe. Den klassizistischen Charakter bekam das repräsentative Gebäude im 19. Jahrhundert. 1934 bis 1936 erhielt es eine umfassende Neugestaltung.

 


Der Weihnachtsmarkt ist wirklich einer. Bei 5 Grad im Plusbereich und das Treiben nicht zum Verweilen ein. Erst recht nicht, das plumpe, weiße und wenig weihnachtliche Festzelt. Die doch festlich geschmückten Verkaufsbuden davor werten das Bild auf, können aber den ersten, wenig einladenden Eindruck nicht retten. Darum lassen wir ihn links liegen. Nicht mal einen Glühwein gönnen wir uns.
Weiter geht es auf der Krakowska, der Hauptpromenade Opoles. Links und rechts säumen sich Geschäft und Läden des Einzelhandels. Viele Menschen strömen durch die Straßen und Gassen. Ein junges Publikum ist auffällig.Verwunderlich ist das kaum. Schließlich ist Opole eine Universitäts- und Hochschulstadt. Tausende Studenten bilden sich an den diversen Instituten und Einrichtungen fort. Die spiegeln sich im Stadtleben wieder.




So erkunden wir die Stadt, laufen durch die Gassen. Vorbei an der Bergelkirche, die sich auf dem höchsten „Berg“ Opoles. Nennen wir es Erhebung mit 165m. Sie ist die älteste Kirche im Stadtgebiet. Verschiedene Einflüsse aus Barock, Neo-Renaissance und Gotik finden sich darin wieder. Nebenan entstand im 13. Jahrhundert ein Kloster, welches heute von der Universität genutzt wurde. Das Museum des Oppelner Schlesien grenzt ebenfalls unmittelbar an der Bergelkirche. Das Gebäude war einst ein Jesuitenkolleg. Nicht einmal hundert Jahre hatte es diese Funktion inne. Das war im 18. Jahrhundert. Nach und nach wurde es mit benachbarten Häusern verbunden.

Vom Nikolai-Kopernikus-Platz, einem zentralen und belebten Punkt mit einem Einkaufscenter, setzten wir unseren Rundgang zum Plac Wolnosci fort. Auch so ein Anziehungspunkt. Mit dem Haus „Europa“ ragt ein Gebäude am Platz besonders heraus. Im Erdgeschoss ist heute ein Restaurant bzw. ein Cafe beheimatet. Scheint eine Art Szene-Lokal zu sein, die Plätze sind alle besetzt. Nichts frei für uns. Warten wollen wir nicht. Der Platz wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört. Auch das Haus „Europa“ traf es. Im Gegensatz zu anderen Gebäuden wurden die Ruinen wieder aufgebaut. Das alte Regierungsgebäude hatte nicht so viel Glück. Auf dem Gelände legte man einen Park an. Die Oppelner Nike prägt diesen. Eine Statue, die in den 70er Jahren entstand. Ein belebter Platz. Aus allen Himmelsrichtungen führen Straßen zu ihm. Die Fußgängerzone vom Ring endet hier. Dorthin orientieren wir uns wieder. Den weißen Kirchturm der evangelischen Franziskanerkirche erblicken wir aus einiger Entfernung.
Zwei Minuten später sind wir erneut am Ring. Der Kreis schleißt sich.

Zum Abschluss gönnen wir uns einen Kaffee. In einer Seitenstraße, mitten in der Altstadt. Ein kleines modernes Kaffee. Junge Leute sitzen und quatschen lebendig miteinander. Wir finden einen Platz. Milchkaffee und Cappuccino. Immer für ein Päuschen gut. Verständigungsprobleme haben wir nicht. Das Bestellen funktioniert ganz simpel. In Muttersprache. Der junge Kerl, kaum 18 Jahre alt, erkennt den deutschen Schlag sofort. Als wir gerade auf Englisch ordern wollten, begrüßte er uns auf deutsch. Irgendwie überraschend. Irgendwie auch unangenehm, sofort als Deutscher enttarnt zu werden. In dem Fall aber nicht schlimm, im Gegenteil. Die Atmosphäre ist sehr herzlich.
Unser Turn in Opole neigt sich damit dem Ende zu. Der Schleier der Dämmerung liegt sich allmählich über die Stadt. Die Straßenlaternen brennen bereits. Wir reihen uns in den Strom der Autos ein. Immer Richtung stadtauswärts.
 

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