09 Oktober 2014

Familiäres Trogir als Weltkulturerbe (Teil 10)




Über 260 Autobahnkilometer liegen hinter uns. Es geht nun von Tag zu Tag nördlicher. Die Tage unseres Urlaubs werden weniger. 20 km nördlich von Split ist Trogir unsere nächste Station auf unserem Trip durch Kroatien. Die schmucke Hafenstadt im mitteldalmatischen Raum zählt 130000 Einwohner. Erneut haben wir am Vortag ein Appartement gebucht. Mitten in der geschützten Altstadt, UNESCO-geschützt. Ein Mann in den Mitfünfzigern gewährt uns Einlass, erklärt uns mit äußerst gutem Englisch wiederholend sämtliche Details zur Unterkunft, sei es mit den Schlüsseln, mit den zu verschließenden Türen oder der eigens zur Verfügung stehenden Parkkarte. Fast übervorsichtig. Trotzdem sehr sympathisch. Wenn er seine krabbelnde Enkelin auf dem Boden kriechen sieht, erfasst ein breites Lächeln sein Gesicht. Die Augen sind nur noch auf das süße Mädchen gerichtet. Die Liebe und der Stolz in ihm hat enorme Strahlkraft.
Das Zimmer ist nett eingerichtet. Das Bad sehr sauber, das Bett bequem, das WLAN funktioniert sogar. Lange werden wir uns nicht aufhalten. Die Stadt ruft.

Streifzug durch geschütztes Gebiet
Der Stadtkern ist nicht allzu groß, flächenmäßig eher klein. Dennoch brilliert er mit einem bemerkenswerten Charme. Es gibt keine herausragenden Bauwerke, kein spektakuläres Monument, welches hervorsticht. Die Gesamtheit des Ensembles ist der Star, das macht die Schönheit dieser Hafenstadt aus. Darum zählt sie seit 1997 zum Weltkulturerbe der UNESCO, als besonderes Beispiel romanisch-gotischer Kultur. Nicht nur das ist von erwähnenswerter Besonderheit. Der Altstadtkomplex liegt auf einer Insel. Mittels einer eher schmalen Steinbrücke, sodass zwei Autos gerade so nebeneinander passen, ist sie im Norden mit dem Festland verbunden.
Wir gehen durch enge verwinkelte Gassen. Wer denkt, man muss kilometerweit zu Fuß laufen, um die Altstadt zu erschließen, der irrt sich. Schnell stößt man links und rechts auf Wasser. Kurze Wege kennzeichnen sie. Die kleinen Häuser sind allesamt sehr gut erhalten. Mit ihren verschiedenen Stile der Renaissance, Gotik, Romanik und des Barocks versprühen sie wunderbar diesen historischen Charme. Der Hauptplatz im östlichen Teil des Stadtkerns ist sozusagen das Herz. Die monumentale St. Laurentius-Kirche sticht besonders hervor. Mit ihrer Errichtung wurde bereits im 13. Jahrhundert begonnen, die Fertigstellung zog sich jedoch über Jahrzehnte hinweg, im 15. Jahrhundert wurde sie vollendet. Dadurch ist sie durch die verschiedenen Architekturstile im Laufe der Jahre geprägt. Das Hauptportal soll von besonderer Bedeutung sein, es wurde nämlich von Radovan aus Stein geschnitzt und erschaffen. Rechts daneben ist Stadthalle zu finden. Der Palasta Lucic, der Fürstenpalast, ist ein weiteres Bauwerk mit beträchtlichem Alter, es entstand im 13. Jahrhundert. Dort ist heute das Rathaus beheimatet. Gegenüber säumt die Stadtloggia mit dem Glockenturm aus dem 15. Jahrhundert den Hauptplatz. Der Justizpalast, das Stadtmuseum sowie der Groß- und Kleinpalast Cipiko runden das Gesamtbild dieses historisch wertvollen Areals stimmig ab. Wie bereits teilweise erwähnt, existieren alle Gebäude minimum seit dem 15. Jahrhundert, bemerkenswert und prachtvoll. Zurecht sind sie von der UNESCO geschützt. Durch das südliche Stadttor erreichen wir die Uferpromenade. Zahlreiche Sitzmöglichkeiten laden mit Blick auf die benachbarte Insel Ciovo zum Verweilen ein. Uns noch nicht, später am Abend ja. Über die Klappbrücke, die ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen muss, gehen wir hinüber. Es ist kein Muss, pure Neugier treibt uns. Wir schauen uns etwas im vorderen Teil der Insel um, der vom ganz normalen kroatischen Leben geprägt ist. Keine Hotels, keine herausgeputzten Häuser, nur einige
Schnellimbisse. Die Bewohner knattern mit ihren Rollern durch die engen Straßen. Wir folgen einem ausgeblichenen und nicht mehr lesbaren Schild, der uns zum Strand weist. Der Abgang ist genauso wie das Schild. Verwaist, verwahrlost. Gras und Unkraut wachsen aus den Fugen heraus, der Weg ist steinig. Man muss aufpassen, nicht umzuknicken oder zu stolpern. Unten am Wasser angelangt, wird dies nicht anders. Es scheint einmal ein Strandbad gewesen zu sein, mit Bootsverleih, Toiletten und Imbissverkauf. Heute ist alles leer, vollgemüllt und zugewuchert. Um gute Fotos bei den einfallenden warmen Sonnenstrahlen zu schießen, reicht es dennoch aus. Fotoshooting. Wundervolle Bilder entstehen.


Eine halbe Stunde später überqueren wir wieder die bereits erwähnte Klappbrücke, die die beide Inseln, die Altstadtinsel Trogir und die Insel Ciovo, miteinander verbindet. Man spürt jede Bewegung auf der Brücke. Sei es wenn ein Auto darüber fährt oder man selbst einen Luftsprung macht. Das beängstigt manche, uns nicht.
Wir gehen an der Uferpromenade entlang. Bars und Restaurants sind mit Urlaubern gefüllt. Hauptsächlich Familien besuchen diesen kleinen und feinen Urlaubsort. Sie sieht man in Mannschaftsstärke herumschlendern. Die Kids nerven ihre Eltern mit Sonderwünschen, dürfen natürlich länger als gewohnt wach bleiben. Werdende Eltern haben die Region um Trogir ebenfalls als erholsames Reiseziel für sich entdeckt. Auffällig die kugelrunden Bäuche der schwangeren Frauen. Kein Wunder, wer Halligalli und Party nonstop erwartet, ist hier mit Sicherheit an der falschen Adresse. Ruhe, Erholsamkeit, Beschaulichkeit sind die zutreffenden Attribute.

Lang ist sie nicht, die Promenade, maximal 350m. An deren Ende treffen wir auf die Festung Kammerlengo. Weniger spektakulär. Ein viereckiger Bau aus dem 15. Jahrhundert, der wahrscheinlich vorwiegend zur Verteidigung der Stadt diente. Angeblich war sie schon im 3. Jahrhundert vor Christus bereits bekannt, unter dem Namen Tragurion. Sie verlor jedoch ihre Bedeutung, gerade durch die nahe gelegene Stadt Salona, das heutige Solin, nur 15km von Trogir entfernt. Die Kroaten besiedelten ab dem 6. Jahrhundert die unabhängige Stadt, die mittelalterliche Kultur begann zu blühen. Die Venezianer prägten die Stadt ab 1420 für viele viele Jahrzehnte. Um genau zu sein bis 1797, dem Niedergang Venedigs. Der Fortschritt innerhalb der Stadt wurde radikal gebrochen, sie wurde von den Venezianer im Laufe der Zeit eher verwüstet und verwahrlost. Die Österreicher rissen es sich unter die Nägel, bis zum Ende des Ersten Weltkrieges.
Im Inneren des geschützten Zentrumkomplexes findet man immer das gleiche Bild vor. Eng, verwinkelt, gepflegt, renaissancistisch, gotisch. An der Dominikanerkirche mit dem angrenzenden ehemaligen Kloster gelangen wir wieder zur Uferpromenade. Sie bestimmt das Leben, nicht der historische Platz mit Kathedrale und Stadtloggia mit Glockenturm. Darum setzen wir uns, mal wieder. Mit einer Dose Karlovacko in der Hand, die wir zuvor noch in einem Mini-Supermarkt kauften. Damit lassen wir uns es gut gehen. Der Körper schaltet ab, man erholt sich. Das sind Momente, die man immer haben möchte. Eine gewisse Zufriedenheit und Glückseligkeit macht sich für ein paar Minuten breit. In der Zwischenzeit ist es dunkel geworden, die Gebäude geschmackvoll mittels Beleuchtung inszeniert. Straßenverkäufer versuchen ihren Klimbim an die Urlauber zu bringen. Neben gesammelten Muscheln auch leuchtende Propeller, die man in die Luft schießen kann und wieder fangen kann. Sollen sie nur machen, ist ja in Touristenorten an der Tagesordnung. Wenn aber Kinder, im Alter von 10 bis 15 Jahre, bis spät in die Nacht diese Sachen verticken, nach jedem verkauften Teil das Geld beim „Vorgesetzten“ im jugendlichen Alter abliefern, hört der Spaß auf. Das ist Kinderarbeit. Sehr fragwürdig, dass das toleriert von kroatischen Ordnungskräften wird. Aber der Erfolg gibt ihnen recht, die Menschen kaufen es. Ebenfalls sehr fragwürdig. Da zweifelt man am gesunden Verstand.

Ein spannender und ereignisreicher Tag neigt sich dem Ende zu. Der Körper und der Geist mögen heute nicht mehr so recht. Die Anstrengungen, das Unterwegssein spürt man an sich am Abend deutlich. Zufrieden gehen wir in die Ferienwohnung, legen uns nach einem Mitternachtssnack nieder und schlafen rasch ein.

Markttreiben

Der nächste Tag hat uns schnell wieder. Gegen neun Uhr wachen wir auf. Immer das gleiche Prozedere. Frisch machen, frühstücken und die Habseligkeiten zusammenpacken.
Durch den Park Fortna gehen wir über eine Kanalbrücke zum Auto, welches wir gestern nördlich der Altstadt nahe unserer Unterkunft parkten. Kostenlos dank unseres Gastgebers. Der Park ist aber nicht wirklich einer. Ich würde es eher als grünen Flecken bezeichnen. Das Ende bildet der St. Marko Turm. Die Sonne blecht herunter, sie brennt auf der Haut. Und das morgens bereits. Ein heißer Tag mit Temperatur jenseits der 30 Grad steht uns bevor. Fast schon Gewohnheit.

Es herrscht ein reges Treiben auf den Straßen und Gehwegen. Autos, Roller und Menschen verstopfen sie beinahe. Sie strömen zum Markt. Händler bieten ihre frischen Waren an. Obst, Gemüse, Fisch, Blumen und Gewürze. Ihre Gerüche werden nur von den stinkenden Benzin- und Dieselmotoren der Lkws, Reisebusse, Autos und Motorroller übertönt. So ist auch Kroatien. Das gleiche Bild werden wir anderswo auch sehen, mit Sicherheit. Nur nicht in dieser mitteldamatischen Stadt, die durch ihre Highlights eine der Perlen der Adriaküste ist, weit vor bekannten und beliebten Touristenorte Kroatiens.  

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