14 Oktober 2014

Grün, Grün, Grün – Vorher ungeahnt (Teil 15)


 
 
Kroatien ist mehr als nur Küste und Meer. Ein Blick ins Landesinnere ist ebenso reizvoll. Das Land ist trotz der südlichen Lage und der hohen Temperaturen sehr grün und in der Vegetation sehr vielfältig. Das hätten wir vorher nie geahnt. Immer nimmt man nur die felsigen Küstenabschnitt von Nord nach Süd wahr. Ein Gebirge durchzieht einen großen Teilen das Land. Es schneidet das Landesinnere von den Orten an der adriatischen Küste regelrecht ab. Das riesige Velebit-Gebirge. Eine grüne Oase Kroatiens.

Der Velebit erstreckt sich über satte 145km Länge und 10 bis 40km Breite, ist Teil der Dinariden. Übersetzt ins Deutsche heißt es „Großes Wesen“. Treffend. Von Karlovac, dem Ort an der adriatischen Küste, geht es hinauf. Vom Meeresspiegel auf 920m, innerhalb von 10km. Die Vegetation ist unten karg. Bäume und Pflanzen wachsen nicht wirklich. Das heiße Mittelmeerklima lässt das nicht zu. Trockenheit und Hitze sind deren Killer. Die Straße führt uns steil hinauf. Der „2er-Golf“ hängt uns im Genick, hält locker Anschluss. Oben angekommen, am Velebit Susanj, einem Passübergang ins Landesinnere, ist es saftig grün. Es keucht und fleucht. Die Vegetation ist vielfältig. Laub-und Mischwälder, Wiesenfelder, Sträucher und Gewächse prägen das Bild vor unseren Augen. Mitteleuropäisch. Wie die Pflanzenwelt hat sich auch das Klima geändert. Der Velebit bildet eine Wetterscheide. Mittelmeerklima und Gebirgsklima. Von 30 Grad auf nur noch die Hälfte, 16 frische Grad zeigt das Thermometer des Autos an. Also Jacke anziehen. Der Wind tut sein Übriges hinzu, es pfeift ordentlich hier oben. Ich steige eine Treppe aus Granitgestein hinauf. Oben am Ende steht aus dem gleichen Material ein Quader. Ein Denkmal an die tausenden von getöteten Menschen während des zweiten Weltkrieges. Die faschistischen Gedanken hatten leider auch im damals diktatorischen Regime ihren festen Platz. Dementsprechend wurden Juden, Serben und Andersdenkende gefangen genommen, gefoltert und getötet. Grausam, immer wieder.



 
Die Fahrt geht weiter, wieder hinunter ins Tal. Eine traumhafte Natur umgibt uns. Endlose Ruhe, vereinzelt kommen uns Autos auf dem Weg nach Gospic entgegen, in einer sehr dünn besiedelten Region, wo wir nur kleine Siedlungen passieren, in denen teilweise verlassene Häuser ihr Dasein dahin fristen. Normaler Vorgang,die Menschen strömen zu den Arbeitsplätzen in die Städte, Kroatien ist davon ja nicht reich beseelt, oder an die Küste. Die Höhe nimmt ab, wir kommen wieder in flachere Gefilde. Es geht immer gerade aus. Die Bäume und Wiesen fliegen an uns vorbei, die vereinzelten Häuser ebenso.

Das Gebirge ist in seiner Art besonders geschützt. Der „Nationalpark Nördlicher Velebit“ im Norden, der „Nationalpark Paklenica“im Süden und der Naturpark Velebit in der Mitte des Gebirgszuges, nahe der Stadt Gospic, belegen das eindrucksvoll. Der Südliche der drei geschützten Parks, der „Nationalpark Parklenica“, liegt circa 30km nördlich von Zadar und besitzt bereits seit 1949 den Status „Nationalpark“. Mit dem Vaganski Vrh liegt der der höchste Gipfel des Velebits in diesem Gebiet, der weithin sichtbar ist. Charakteristisch sind die steilen, teils bizarr geformten Felsformationen. Vor allem für Bergsteiger und Wanderer bietet der Nationalpark ideale Bedingungen.

Der mittlere Teil des Gebirges ist ein Naturpark, der das Gebiet um Gospic eingrenzt, dass wir relativ zügig erreichen.
 
Gospic – Durchgangsstation im Grünen
 
Gospic liegt mittendrin. 40Km vom Meer entfernt, über 50km sind es zum Nationalpark Plittwitzer Seen. Eine Kleinstadt im Nirgendwo. Für uns Durchgangsstation und Übernachtungsort. Tourismus gibt nur in Verbindung mit dem Velebit. Einige Campingplätze sind am Straßenrand ausgeschildert. 12000 Menschen leben in der insgesamt dünn besiedelten Region. Sie sind auf den Straßen Gospics unterwegs, wuseln durch die deutschen Supermark-Discounter. Es herrscht reges Treiben. Dabei merkt man nicht viel von der bewegten Geschichte der jüngeren Vergangenheit. Jedenfalls nicht im Alltagsleben der Stadt. Kein Wunder, die Kroaten verdrängen das. Es ist ihre Stadt, ihr Besitz. Vielleicht sehen sie sich im Recht, aber so weit will ich nicht gehen. Das wäre ohne genaue Informationen nicht fair. Zur Geschichte: Serben und Kroaten bekämpfen sich im Kroatienkrieg, töten einander skrupellos. Gospic liegt direkt an der Frontlinie. Eine Minderheit von Serben ist nach dem Krieg wieder in die Stadt zurückgekehrt, die der kroatischen Regierung angeblich loyal gegenüberstand. Trotzdem soll der damalige Innenminister des Landes den Befehl gegeben haben, Serben aus der Umgebung nach einer Liste zusammenzukarren, zu verschleppen und zu töten. Etwa 100 sollen es gewesen sein. Ethnische Säuberung nennt man das. Ein unglaublich abscheulicher Vorgang. Menschliches Gewissen? Fehlanzeige. Er zeigt den Hass zwischen den ehemaligen jugoslawischen Teilstaaten, der insgesamt heute noch deutlich wahrnehmbar ist. Und das im ganzen Land. Da geht es fast unter, das sich in dem kleinen Städtchen während des zweiten Weltkrieges ein Konzentrationslager befand. Hauptsächlich Serben und Juden waren interniert. Wieder grausames Kriegsverbrechen. Oh Mann!

Spektakuläre Sehenswürdigkeiten gibt es nicht zu erkunden, die Stadt lebt von seiner Lage im Velebit-Gebirge. Tourismus ist nicht wirklich vorhanden. Dafür hat das 40km entfernte Meer mit dem Örtchen Karlobag einen zu großen Reiz.

Zwei Hotels gibt es scheinbar. Jedenfalls sind sie ausgeschildert. Das eine finden wir nicht, also kommt das andere zum Zug. Deutsche Standards darf man nicht erwarten. Die Farbe der weißen Wände ist etwas abgenutzt, die Ausstattung ist nicht das Luxuriöseste. Einfach gehalten, trotzdem sauber und reinlich. Sehr erträglich. Schnell duschen. Das Hungergefühl übernimmt immer die Kontrolle des Körpers. Bei der Suche nach einer Unterkunft haben wir eine Pizzeria am Straßenrand gesehen. Die sah einladend aus. Genau dort fahren wir hin. Keine Touristen hier, man hört und sieht nur die Einwohner von Gospic. Wohltuend ich mag das. Dafür ist die Bedienung nicht gerade freundlich. Kein Lächeln, kein sympathisches Auftreten. Pizza Hawai und Spaghetti Bolognese essen wir. Sehr lecker, sehr ausreichend. Wir sind befriedigt. Dank der milden Temperaturen und der angenehmen Luft bleiben wir noch ein wenig bis uns die Müdigkeit allmählich beschleicht. Beim kroatischen Fernsehprogramm schlummern wir in unseren Betten langsam ein.

Der Check-out am nächsten Morgen verzögert sich. Das Kartengerät funktioniert nicht, auch nach mehrmaligen Versuchen nicht.wir zahlen cash. Währenddessen leisten wir Aufbauhilfe. Die Rezeptionistin will wissen, welche Portale die Deutschen zum Buchen ihrer Hotels und Unterkünfte nutzen. Die einschlägigen Seiten nennen und zeigen wir ihr gern. Zusätzliche Tipps und Ratschläge inklusive. Ob das fruchtet? Naja man wird sehen.


Der „Nationalpark Nördlicher Velebit“ befindet sich im Hinterland nahe Senj, das direkt an der adriatischen Küste liegt. Auf dem Weg dorthin, von den Plitzwitzer Seen kommend, die ca. 40km vom Nationalpark entfernt sind, wird es ab Ototac sehr hügelig. Es geht hoch und runter, für einige Kilometer an der Autobahn parallel entlang. Links die rasenden Fahrzeuge, rechts das Bergmassiv. An den über 1000m hohen Gipfel sieht man die steil herabfallenden Felswände, die typisch für das Gebirge sind. Diese manchmal skurillen Karstformation kennzeichnen das Gebirge. Die zahlreichen Höhlen sind Nebenprodukte dieses Karstgesteins. DieNatur ist traumhaft und durch die dünne Besiedlung dieses Lebensraumes unberührt. Nur wenige Straßen sind durch die Wälder gezogen und asphaltiert. Darum wachsen so viele endemische Pflanzen in diesen Schutzgebieten. Wildtiere wie Braunbären, Luchse oder Wölfe und die Ader haben ihre Heimat gefunden. Daher verdient es das Prädikat UNESCO-Biosphärenreservat.

Wer nach Senj will, muss den Gebirgszug überwinden. Der Vratnik-Pass, knapp 600m hoch, ist eine der ältesten Straßen Kroatiens. Schon die Römer sollen sie angelegt haben, um ihre Waren wie das Salz als „weißes Gold“ ins Landesinnere zu transportieren. Auf dem Passüberquerung steht heute eine Art Bunker. Als Burg würde ich das nicht bezeichnen. Dafür ist er zu einfach gehalten. Es ist ein flaches, quadratisches Gebäude mit einem Minitürmchen und Gucklucken, erbaut aus grauen Ziegelstein. Rundherum sieht man nur grün. Einzig die nackten Karstgipfel verändern das Farbenbild. Von hier oben hat man einen sensationellen Blick auf Senj und das Meer. Das genießt man, versuch es zumindest. Orkanartige Winde erschweren das Fortbewegen und Stehenbleiben brutal. Mein Cappie muss ich mit beiden Händen festhalten, die Brille fliegt mir auch fast davon. Schnell noch Schnappschüsse gemacht und wieder ins Auto. In Richtung Tal nach Senj.

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