04 Oktober 2014

Postojna – Überall nur Höhle (Teil 5)



Die Nacht war sehr ruhig, dementsprechend tief geschlafen haben wir. Im Internet hatten wir eine preiswerte Unterkunft auf dem Land, zehn Kilometer von Postojna entfernt, gefunden und gleich gebucht. Die Spitzhunde der Hausherren freuen sich über den Besuch, ausgelassen begrüßen sie uns. Der Zuwendung während des ganzen Abends sind sie sich sehr sicher. Recht haben sie. Kein Telefonnetz, das angebotene WLAN funktioniert nicht, Fernseher gibt es im Zimmer nicht. Nur wir und die weitläufige grüne Natur des schönen slowenischen Hinterlandes. Nur Stille und Ruhe. Ganz ungewohnt für uns. Meterdicke Mauern isolieren die Außentemperatur. Das Thermometer zeigt 16 Grad an, draußen sind es abends noch über 20. Wir bibbern. Der bereitgestellte Heizlüfte hilft da auch nicht viel.
Wieder das allmorgendliche Ritual. Morgenpflege, Koffer packen, das Appartement bezahlen, die Sachen im Auto verstauen, schnell noch von den Hunden verabschiedet und auf geht’s. In Postojna waren wir gestern ja schon, allerdings nur kurz. Am Ortseingang genauer gesagt, zum Einkaufen im Supermarkt. Der Tag ist heute wieder prall gefüllt. Am Abend wollen wir bereits am Meer in Kroatien sein, in der Hafenstadt Rijeka.

 
Wir fahren in Richtung Postojna, vorbei an der Autobahnauffahrt, wie gestern. Kurz vor Postojna biegen wir scharf links ab. Predjamski Grad ist bereits ausgeschildert. Durch das kurvenreiche, hügelige Hinterland führt uns der Weg. Die Bauern beackern aufwändig ihre Felder. Mit alten Traktoren verrichten sie mit hohen körperlichen Aufwand die schwere Arbeit. Teilweise sind mehrere Personen damit beschäftigt. Ein Unterschied, wenn man bei uns die Hightechmaschinen sieht, die im Anschaffungspreis die 100000 Euro-Grenze nicht unterschreiten. Tauschen möchte ich da nicht. Es geht auf engen Straßen hoch und runter. Zwei Reisebusse passen nicht nebeneinander. Erst kurz vor Predjama erreichen wir die Hauptstraße, die das Örtchen mit Postojna verbindet. Fünf Minuten später sind wir auf dem Parkplatz. Schon früh halb Elf stehen drei Reisebusse dort, die die asiatischen und britischen Urlauber „hergekarrt“ haben.

Einfach in den Fels gebaut
Wir suchen die Burg, wo soll die bitte sein?! Die steile Felswand, über 100m hoch, suchen wir vor uns ab, von oben nach unten, rechts nach links. Bis es „bling“ macht, da ist sie. Mitten in der Felswand. Unglaublich, wie man auf so eine Idee kommen kann.. Erbaut wurde die Burg im 12. Jahrhundert, ihre heutige Form bekam sie angeblich im letzten Drittel des 16. Jahrhundert. Eine Legende rankt sich um den Burgraubritter Erasmus von Luegg, der vor der Todesstrafe hierher flüchtete. Er soll Kaufleute aus Triest überfallen haben und die Beute an die Armen in der Gegend verteilt haben. Robin Hood sage ich nur. Lange soll er sich vor den feindlichen Angriffen gewehrt haben. Rund um die Burg soll sich im Felsen ein verzweigtes Höhlensystem befinden. Der kleine Bach Lokva, der unten in dem schmalen Tal fließt, verschwindet unter den Felsen. Museum und Höhle kostet natürlich beides Eintritt. Es gibt ein Komplettangebot in Verbindung mit der Höhle von Postojna, mit über 30 Euro ist man dabei. Das machen wir nicht, schießen lieber einige Erinnerungsfotos.Ein Amerikaner ist so nett. Generell sind sie de Ton an. Sie sind unter den ausländischen Touristen in der Überzahl., gefolgt von den Asiaten. Wie wir, sind sie begeistert von dem, was sie sehen. Ein Highlight am Morgen.

Unterirdischer Touristenmagnet


In Windeseile sind wir in Postojna, der Reisebus
vor uns weist uns indirekt den Weg. Am Ortseingang erwartet uns die Karsthöhle von Postojna. Auf dem riesigen Parkplatz mit einer Kapazität von schätzungsweise 3000 Stellplätzen wird jeder einen Stellplatz finden. Ohne Worte. Kein Wunder, es ist die besucherstärkste Schauhöhle Europas. Eine riesige Werbemaschinerie ist dafür im Gange. Unzählige Werbeplakate entlang der Autobahnen oder Landstraßen sind wahrlich nicht zu übersehen, selbst wenn man es zu ignorieren versucht. In jedem Hotel, in jeder Pension und in jedem Appartement liegen Flyer zu diesem Ausflugsziel aus. Sie preist sich an, die bekannteste Höhle Europas zu sein. Ich hoffe, sie hält was sie verspricht. Auf dem Weg zum Eingang empfangen uns schon die junge Mitarbeiterin, die uns über Angebote, Preise und Ablauf informiert. Die Entscheidung fällt uns leicht, die Höhle wollen wir uns nicht entgehen lassen, die Forschungsstation Proteus Vivarium ist im Preis inbegriffen, nehmen wir mit. Nur noch zur Kasse und zahlen. 22,90 Euro für Erwachsene, Studenten „nur“ 18,30 Euro. Deutsche Studentenausweise werden anstandslos akzeptiert. Kein billiges Vergnügen. Daran sollte es allerdings nicht scheitern, es lohnt sich. Um 12 Uhr ist der Start zur nächsten Führung. Jede Stunde werden Besichtigungen durchgeführt. Die 25 Minuten bis dahin überbrücken wir mit dem Besuch des Proteus Vivarium, einer Forschungsstation, die sich mit den Lebewesen und Organismen der Karsthöhlen befasst. Besonders steht der Grottenolm im Fokus. Der blinde Schwanzlurch kommt nur in den Gefilden des Dinarischen Gebirgszuges vor. Das lichtscheue Tierchen fühlt sich mit seinem aalähnlich gestreckten Körper nur in dem sauerstoffreichen Wasser des Karstes wohl. Flohkrebse und Wasserasseln gehören zu ihren Leibspeisen. Sie kann man hier in diesem abgedunkelten, grottenartigen Vivarium bewundern. Wir Besucher, müssen uns mit unseren Augen anstrengen, um sie für einen kurzen Moment erhaschen zu können. Schwierige Aufgabe. Bei den übrigen Organismen, wie die verschiedenen Spinnen-, Käfer- und Insektenarten ist es nicht viel einfacher. Tafeln erklären auf Englisch die Eckdaten zu Merkmalen und Vorkommen bei den einzelnen Tierarten. Nach 10 Minuten sind wir fertig, kein Highlight, kein Muss. Angenehm kühl war es, draußen erwarten uns die 27 Grad Außentemperatur. Die lange Jeanshose macht es nicht erträglicher in der Sonne. Zum Glück finden wir ein schattiges Plätzchen, vertreiben uns die restliche Zeit mit dem Beobachten von den ebenfalls warteten Leuten, manchmal ein echter Spaß.


Die Pforten werden geöffnet, wir sind in der Pole Position, haben uns still und heimlich nach vorne gemogelt. Das ist mir noch nie passiert. Jeder Besucher wird eingangs fotografiert, später noch während der Zugfahrt in die Höhle. Wir steigen in den Zug, elektrisch betrieben. Unser Platz ist ganz vorne, allererste Reihe. Logisch, sind ja auch als Erste durch die Schleusen. Insgesamt bietet er Platz für hunderte Personen, reicht aber nicht. Manche müssen auf den zweiten Zug warten, den sie extra einsetzen. Zwei Kilometer werden wir in das Gebirgsinnere fahren, schätzungsweise 20 Minuten benötigen wir dafür. Es geht los, der Zug rumpelt mit einem
Affenzahn, teilweise bis zu 25 Km/h über die Gleise. Der Fahrtwind weht einem ins Gesicht. Angemessene Kleidung ist bei einer vorherrschenden Temperatur von gerade einmal 8 Grad Pflicht. Lange Hose, Pullover und Jacke sind ideal. Nach einem kurzen, dunklen Tunnelabschnitt öffnet sich der Raum beziehungsweise die Höhle. Ein geräuschvolles Raunen und Staunen hallt bis in die hintersten Ecken. Was wir geboten bekommen ist derart beeindruckend, dass es schwer ist die passenden Worte zu finden. Tropfsteine in Form von Stalakniten und Stalaktiten in allmöglichen Formen und Auswüchsen verzaubern uns. In Verbindung mit dem gedämpften und indirekten Licht wird dieses Naturspektakel perfekt inszeniert. Die Augen wissen gar nicht, wo sie zuerst hinschauen sollen, da geht einem wirklich das Herz auf. Wir sind geflasht.

Der Zug hält. Wir werden von den Führern gebeten auszusteigen. Ein Bahnhof in der Höhle. Ein gr oßer. Die Besucher orientieren sich an riesigen Leuchtschildern mit den Aufschriften Deutsch, Italienisch, Englisch, Slowenisch. Die Menschenmassen teilen sich auf. Es dauert bis die Führung erst so richtig startet, wir müssen auf den zweiten Zug warten.

In der Zwischenzeit blicken wir uns um. Es hat riesige Ausmaße, die Decke reicht zwei Stockwerke hoch, an ihr hängen in verschiedenen Formen und Gebilden die Tropfsteine herunter, gigantisch. Inzwischen ist der Rest auch da. Unser Guide, ein älterer graumelierter Mann, spricht sehr gut Deutsch, wenn auch er an manchen Stellen durch seinen typisch slawischen Akzent schwer zu verstehen ist. Wir gehen los, den Berg hinauf, die eigentliche Führung beginnt. Ein straffes Tempo legt er vor, wir können gar nicht mithalten, sind zu sehr mit dem Erkunden und Entdecken beschäftigt, dazu noch das Fotografieren. Ein Zwischenspurt spült uns an der Meute vorbei immer wieder ganz nach vorne. Eine eindrucksvolle Vielfalt und ein Meer von Stalakniten und Stalaktiten bekommen wir geboten. Millionen von Tropfsteine. Wir sind auf dem Berg angelangt, als Belohnung für den Aufstieg gibt es fantastische Ausblicke, insbesondere auf die Russische Brücke. Unglaublich, wenn man sich überlegt, dass Tropfsteine für einen Millimeter Wachstum ungefähr 30 Jahre brauchen. Der Weg führt uns wieder hinunter. 130 Höhenmeter überwinden wir, beachtlich. Wir passieren die schönen Höhlen, die Russischen Gänge. Ein eigens künstlich geschaffener Tunnel bringt uns in den “Spaghettisaal“. Dünne und teils hohle Tropfsteine hängen von der Decke herunter. Es sieht so aus, dass der Regen eines Tages sich versteinert hat. Wundervoll. Mit sehr viel Fantasie kann man diverse Tiere und Motive in den Gesteinsformationen erkennen. Hennen, Fische, Bären sind nur einige Beispiele. Der Guide führt uns mit forschem Tempo weiter voran, immer wieder blickt er auf seine Uhr. Er scheint dem Zeitplan hinterher zu sein. Wir erreichen die Diamantengrotte. Weiße Sinter und weiße Tropfsteine in Hülle und Fülle, die typischen badewannenartigen Becken, die mehrere tausend Liter eiskaltem Wasser fassen, prägen das Bild dieses Höhlenabschnittes. Trotz dieser traumhaften Naturschönheit beschleicht uns irgendwie ein ungutes Gefühl. Die Massen an Touristen, die durch die Höhlengänge durchgeschleift werden, mindern ein bisschen das positive Gefühl. Man hat wenig Ruhe und Zeit, um das auf sich wirken zu lassen, immer Zeitdruck, immer diese Lautstärke. Ich mag diesen Massentourismus nicht, auch wenn das bei solchen attraktiven Sehenswürdigkeiten natürlich nicht ausbleibt, da braucht man kein Romantiker sein. Über die nicht ganz so spektakuläre Rote Höhle, die rötliche Farbe des Kalksteins entsteht durch den Zusatz von Eisen und Tonerde, gehen wir in Richtung Konzertsaal. Über uns ist die Russische Brücke, die wir vorhin überquert haben. So weit ich mich den Ausführungen unseres Führers entsinne, wurde sie, wie der Russische Gang auch, von russischen Kriegsgefangenen erbaut. An einer Gangverbreiterung erwartet uns ein Höhepunkt der Postojna-Höhle. Ein 5m hoher, majestätisch weißer Stalaknit, Brilliant genannt, ragt über allem heraus. In Verbindung mit den wasserfallartigen Sinterskulpturen an Decke und Wänden im Hintergrund stellt es ein atemberaubendes Kunstwerk dar. Durch die geschickter Beleuchtung perfekt in Szene gesetzt. Ein Bildhauer hätte es nicht besser machen können. Das Fotomotiv schlechthin. Die Zeit drängt, unser Guide macht schon wieder gehörig Druck, der Rundgang neigt sich allmählich dem Ende zu. In einem Aquarium, am Eingang zum Konzertsaal, kann man sich den Proteus nochmals live in Farbe anschauen. Bisschen suchen muss man, um ihn in der Dunkel- und Trübheit des Wassers zu entdecken. Wir finden diesen hellen Lurch sofort.

Der Konzertsaal ist die letzte Station der Schleife. Wieder diese unglaubliche Größe unter Tage, nicht von Menschenhand geschaffen. Tausende Menschen finden hier bei Veranstaltungen Platz. Außerdem befindet sich hier ein gläserner Souvenirshop, in dem Bücher, Broschüren, Karten, Steine und Figuren käuflich zu erwerben sind. Früher war hier ein Postamt beheimatet. Es ist das älteste Unterirdische seiner Art. Im Jahre 1899 wurde es in Folge des steilen Anstiegs in der Versendung von Ansichtskarten bereits errichtet. Immerhin vier Beamte kümmerten sich zeitweise zu regulären Öffnungszeiten um die tausenden Karten pro Tag. Heute gibt es dort keines mehr, lohnt sich scheinbar nicht. Dafür boomt der Fremdenverkehr mit der Höhle umso mehr. Jahr für Jahr strömen Besucher zur Besichtigung nach Postojna. Seit über 200 Jahren gibt es diese Attraktion schon. Der Lampenwart Luka Cec entdeckte 1818 den Großteil des Innenbereiches durch einen bis dahin unbekannten Höhlengang. Das geschah während der Vorbereitungen zum ersten Besuch des österreichischen Kaisers. Am 17. August 1819 war der österreichische Thronfolger Ferdinand der allererste Besucher der Grotten. Danach öffneten die die Türen für den kommerziellen Tourismus. Von hier aus sind es nur wenige Schritte zum Zug. Die Höhlenbahn fuhr erstmals 1872, die Besucher wurden von den Höhlenführer manuell durch die Höhle geschoben. Schwerstarbeit. 1924 wurde sie durch die motorisierte Form, mit Benzin betrieben, endgültig ersetzt. Seit 1957 wird sie elektrisch betrieben. Umweltschonender, wie sich das gehört. Um den rapide ansteigenden Besucherzahlen gerecht zu werden, wurde ein zweites Gleis installiert, das war 1964. Ein Trupp hinein, der andere heraus. Somit ist eine größere Abfertigung möglich. Das bekommen auch wir zu spüren. Draußen warten schon die nächsten in langen Schlangen auf das Öffnen der Durchgänge, unterwegs kommen uns Züge aus der anderen Richtung hupend entgegen. Effizient.

Wieder brennt die Sonne herunter, der Jacke und dem Pullover entledigen wir uns sofort. Ein Eis als Erfrischung ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Vorbei an Shops und Restaurants, statten wir dem winzigen und kostenlosen Mühlenmuseum einen kurzen Besuch ab. Auf engem Raum, gewinnt man einen Eindruck über die Arbeit eines Müllers. Alte Gerätschaften, alte mechanische Maschinen in einer typisch urígen, müllerischen Umgebung.

Über den Parkplatz gehen wir zum Auto, die Schritte werden schneller, der Schweiß läuft an allen Körperstellen herunter. Sofort wechseln wir die Hosen. Kurz gegen lang. Wir entwerten noch das Parkbillet für den Tagespreis von 3,50 Euro und schon sind wir um eine Entdeckung reicher.

Postojna als Stadt wird so gut wie gar nicht wahrgenommen. Sie ist Durchgangsstation der Deutschen und Österreichern auf ihrem Weg in den Urlaub nach Kroatien. Gibt man es bei der Suchmaschine Google ein, findet man zuerst jede Menge Links zu den Höhlen, die Stadt kommt an zweiter oder dritter Stelle. Gut, man darf nicht vergessen, der Ort und seine Bürger leben von ihr, seit ihrer touristischen Existenz und Erschließung.

Sonst erweist sich Postojna mit seinen 15000 Einwohner als relativ unspektakulär, Kleinstadt eben. Supermärkte, Krankenhaus, Bildungseinrichtungen, alles stinknormal. In einem historischen Gebäude am Marktplatz ist eine Abteilung der Slowenischen Akademie der Wissenschaften beherbergt. Sie erforscht nur den Karst. Was auch sonst.

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