04 Mai 2015

Tag 3 - Sellaronda–nur anders

Mittags um eins in der rustikalen, urigen Berghütte am Grödener Joch. Würstel mit Röstkartoffeln gönne ich mir, danach einen Espresso. Ein Genuss. Das erste mal Mittagspause in 3 Tagen. Schwer verdient.



Seit exakt 9.30 Uhr stehen wir bereits auf Ski. Die Sellaronda hat uns nicht los gelassen. Die Runde hat einen zu großen Reiz. Die Landschaft, die bestens präparierten Pisten, die Abwechslung. Ausschlaggebende Punkte. Dafür haben wir die Organisation wesentlich geändert. Der Wecker klingelte wie gestern um 7.30, eine halbe Stunde später ging es zum Frühstück. Wie gehabt. Heute sind wir nicht zu Seiser Alm, mit dem Auto fuhren wir direkt nach Wolkenstein. St Christina besser gesagt. Im Val Gardena, dem Grödener Tal. Direkt an der berühmten Weltcup Abfahrt sasslong. Der perfekte Einstieg in die Sellaronda. Sowohl für die grüne, als auch für die orange Runde.
Wir wollen die Orange in Angriff nehmen. Nur verunsichert uns das Wetter. Der Nebel hängt in den Bergen, relativ starker Wind weht, dazu Schneerieseln. Wir fahren erstmal einfach drauf los, ohne genau zu wissen, ob die Sellaronda heute möglich ist. Das Wetter kann noch schlechter werden, die Lifte könnten geschlossen werden. Die Berge haben ihre eigenen Gesetze. Innerhalb von wenigen Minuten kann das Wetter komplett umschlagen. Postiv als auch negativ.

Überraschenderweise funktioniert es gut, die Pisten sind optimal präperiert. Über das Grödener Joch gehts es hinab nach Alta badia. Jährliche Weltcupstation im Ski Alpin-Weltcup. Eine lang Abfahrt, im oberen Teil wunderbar zum Carven, unten wird es flach, Hockposition einnehmen. Das Laktat schießt in die Schenkel. Im Tal müssen wir die Bretter abschnallen und mit der Gondel nach Colfosco, der Hauptort von Alta Badia überfahren. Über 5 Minuten dauert es, anschließend geht es in die nächste namens Boi, wieder gute 8 Minuten hinauf. Die Bergstation ist wolkenverhangen, dichter Nebel hält Einzug. Langsames, aufmerksames Fahren ist nötig. Nach einigen hundert Metern wird es klarer, die Sicht ist normal. Das Tempo kann erhöht werden. Es macht riesigen Spaß. Mitterweie sind wir auf dem Weg zum Campolongo. Auf dem Pass befinden wir uns nun zwischen Alta Badia und Arabba. Es ist der niedrigste der vier Sella-Pässe. Immerhin 1880m hoch.
In Arabba heißt es laufen, 200 m. Über die Straße, an den Apres-Ski-Buden vorbei, Micky Krause dröhnt gerade aus den Lautsprechern und über das Bächlein zur Talstation, an der müssen wir kurz warten. Es fährt nur eine Gondelkabine hinauf und hinunter. Zum Glück nur 5 Minuten. Hat man Pech, dauert es gute 20 Minuten. Eine gewaltige Konstruktion, mit einem Affenzahn manövriert die proppenvolle Gondel uns auf über 2400 m Höhe. Wir sind nun mitten im Marmolada Gebirge, fahren quasi durch die Berge. In mitten schroffer Fesen. Das Panorama ist einzigartig. Es flasht uns, diese Natur ist unvergleichbar. Nicht umsonst, stoppen wir für einige Sekunden, um Fotos zu schießen oder einfach kurz inne zu halten. Über Pont de Vauz gelangen wir zum Passo pordoi, dem südlichsten Pass der Sella-Gruppe. Wieder diese unglaubiche Panorama. Hammer.


Fast schon Sonnenschein herrscht im Fassa-Tal. Das Skifahrerherz schlägt höher. Perfekte Bedingungen. Einzig die Gipfel der Dolomiten sind durch den dichten Nebel nicht ansatzweise erkennbar. Breite, optimal präparierte Pisten auf dem Weg vom Belvedere hinab ins Tal, den wir dank Zwischenlifte und kurze Abfahrten erreichten. Traumhaftes Carven. Auf der gegenüberliegenden Seite bringt uns die Gondel hinauf zum Sellajoch, inklusive Umsteigen in den Sessellift. Die Straße führt nebenan in Serpentinen über den Pass. Beeindruckende Kulisse 2220m. Der Wind weht heftig, leichte Schneeverwehungen sind die Folge. Kein Problem aber. Lange zieht sich die Abfahrt vom Joch hinunter, Hockposition ist wichtig, sonst muss der Doppelstockschub eingesetzt werden. Bis hierher war die Wegweisung kaum ein Problem oder Hindernis. Auf den Schildern ist die Sellaronda mit orangem Hintergrund immer ausgeschildert.
Aufmerksam sollte man trotzdem sein. Manchmal sind die Schilder leicht irreführend, etwas tricky. Lieber vorher kurz Abschwingen, orientieren und dann geht's weiter.
Langsam nähern wir uns dem Ende der Sellaronda. Monte Pana ist die letzte Gipfelstation. Wolkenstein bereits ausgeschildert. Vertraut von unsern gestrigen Beginn. Generell erkennen wir vieles von gestern. Nicht die Abfahrten sind gleich, nur an die markante Punkte erinnert man sich freilich. Einige Abfahrten, die wir vom Lift bzw. aus der Gondel sehen, sind wir gestern hinunter gerauscht. Wir sind schnell unterwegs.
Nach exakt drei Stunden erreichen wir unseren Ausgangspunkt von heute morgen. Da war es 9.30uhr, jetzt ist es mittags halb eins. Ein cooles Gefühl. Gute 37 Kilometer haben wir zurückgelegt. Die Hälfte mit dem Lift, die andere auf Ski hinab in die Täler. Deutlich schneller als gestern. Die Liftzeiten sind einfach kürzer. Allein von Colfosco in Alta Badia auf das Grödener Joch muss man in der grünen Runde viermal den Lift wechseln. Das raubt Zeit.

Die Abfahrten sind keine besondere Herausforderung. Gute Skifahrer bewältigen sie ohne Probleme. Die Masse macht es. Ausdauer ist gefordert. Für Unfitte, die öfters Pause brauchen, kann die Zeit eng werden. Der Reiz der Sellaronda ist nicht unbedingt die Steilheit der Abfahrtshänge, sondern die einzigartige Natur der Dolomiten. Inmitten des UNESCO-Weltnaturerbes sind wir unterwegs. Traumhaft. Wirklich atemberaubend. Deswegen würde ich sei jedem weiterempfehlen und werde wiederkommen, um sie fahren zu können. Mich hat sie in den Bahn gezogen. Sicherlich spielt dabei auch die Faszination der technischen Möglichkeit eine Rolle. Täler durch eine aufwendige Logistik miteinander zu verbinden. Teilweise ist man 50 Kilometer von seinem Ausgangspunkt entfernt.

Wir haben nun beide Runden hinter uns. Grün am gestrigen und orange am heutigen Tag. Unbestritten ist es ein Skifahrhighlight im europäischen Raum. Nicht die Herausforderung ist der große Reiz, das gibt es sicherlich Anspruchvolleres. Wobei man die Distanz, die Länge und die Zeitdauer nicht unterschätzen sollte, das schlaucht. Erholungsphasen in den Liften gibt es ausreichend. Vorher glaubten wir nicht so recht, dass wir später als 10 Uhr auf der Piste sein sollten, um nicht nachmittags zeitlich in Schwierigkeiten zu kommen. An beiden Tagen glaubten wir das. Es bewahrheitete sich jedoch. Der Tag kann schnell fortschreiten. Außerdem ist man nicht so stark unter Druck, man hetzt nicht.

Auffällig ist, dass wir für die grüne Runde um das Sella-Massiv deutlich länger gebraucht haben. Der Andrang an beiden Tagen war gleich. Der Grund liegt auf der Hand. Die Liftzeiten sind einfach um einiges länger. Besonders in Alta Badia merkt man das. Von Colfosco hinauf zum Grödener Joch muss viermal umgestiegen werden. Das raubt Zeit.
Welche Runde nun landschaftlich attraktiver ist, ist Geschmackssache. Für mich war es die orange Runde. Die Passage zwischen Passo Pordoi und Arabba war einfach einen Tick reizvoller. Auch an anderen Passagen sind die Abfahrten herausfordernder. Doch das ist subjektiv. Beide sind mit guter Kondition ohne Probleme zu bewältigen. Trotzdem sollte man die Zeit immer im Blick haben. Insgesamt hängt man weniger im Lift, obwohl die generelle Zeit in den Gondeln und Sesselliften für diese Wegstrecke recht überschaubar ist.
Das Erlebnis, die Berge quasi zu durchfahren, der Reiz von einem ins andere Tal auf Ski zu gelangen, ist beflügelnd. Erwischt man mit ein wenig Glück gutes Wetter, wird das ein unvergesslicher Traumtag. Die Natur flasht. Und wir Menschen mittendrin.

Pause ist in Sicht. Die schwarze Piste carven wir hinab nach Wolkenstein, anschließend mit der Dantespierre-Gondelbahn auf das Grödener Joch. Wohlverdiente Pause in den Bergen der Dolomiten.

Den Nachmittag, mittlerweile ist es um zwei, lassen wir ruhig angehen, ohne Zwang. Alta Badia, im ladinischen Tal Südtirols, gönnen wir uns nochmal. Jedes Jahr wird hier ein Riesenslalom der Herren ausgetragen. Unten brennen die Oberschenkel. Das Gefühl kennen wir schon. Wir fahren etwas in diesem riesigen Skigebiet. 130 Pistenkilometer. Nicht die höchsten Schwierigkeiten, aber genussvoll zu fahren. Allmählich werden die Strecken unangenehmer. Teilweise sind kleine Hügel aufgeschoben, der Schnee wird durch die hohe Luftfeuchtigkeit weicher. Nützt nichts, passable Technik ist gefragt. Dem Spaß trübt das kaum.

Nach eineinhalb Stunden geht es wieder ins Grödener Tal, Richtung St. Christina. Die Sasslong ruft zum krönenden Abschluss. Ein Klassiker. Der Reiz ist groß. Über 3 km geht sie hinab, die Abfahrtsprofis brauchen keine zwei Minuten für diese Strecke. Klar, wir wollen und müssen dort hinab, zum Auto. Eine wundervolle Strecke, traumhaft zu fahren. Anspruchsvoll, aber nicht übertrieben. Mit Hockposition fahren wir ins Ziel, berauscht von der Piste.
Die Erlebnistage vom letzten Weltcup im Dezember ist im Ziel zu lesen. Eigentlich war es das heute für uns. Eigentlich. Spontan, entscheiden wir sie noch einmal zu fahren. Kurz vor vier, die Gondel nach oben ist noch in Betrieb.
20 Minuten später stehen wir im Zielbereich an gleicher Stelle. Die Oberschenkel brennen, das Adrenalin schüttet unendliche Glücksgefühle. Ein grandioser Skitag.

Die Sauna erwartet uns bereits, Entspannung ist Pflichtprogramm. Der Körper regeneriert. Das anschließende Essen in eines der Restaurants in Kastelruth ist das i-Tüpfelchen. Morgen bahnt sich das Ende des Urlaubs an, der letzte Skitag.

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