07 Juni 2015

Auschwitz I – der schockierenden Grausamkeiten erster Teil. (Teil 8)

 
Die Fröhlichkeit verflieg langsam, Spannung macht sich in uns breit. Geschichtsunterricht steht nun an. Die Gräueltaten der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg.
Fällt das Stichwort Konzentrationslager, verbindet man es sofort mit Auschwitz. Ein Synonym für den Völkermord der Brigade um Hitler.
Erste Station ist das Konzentrationslager Auschwitz I.. Das Stammlager des gesamten Lagerkomplexes Auschwitz. Seinen deutschen Namen erhielt es unmittelbar nach Anschluss des polnischen Gebiets 1939. Zu jener Zeit entstand im Amt des Polizeiführers des schlesischen Breslaus die Idee eines Konzentrationslagers, um weitere Massenverhaftungen vornehmen zu können und der Überfüllung der Gefängnisanstalten zu entgehen. Die Wahl fiel auf Oswiciem. Auschwitz. Zum einem wegen der bereits vorhandenen, aber verlassenen Vorkriegskasernen. Zum anderen war die günstige Verkehrslage als Eisenbahnknotenpunkt der ausschlaggebende Hauptgrund für die Wahl. Auschwitz I wurde 1940 errichtet, auf Anordnung Heinrich Himmlers, dem SS-Reichsführer. Innerhalb kürzester Zeit begannen die Häftlingstransporte aus dem gesamten europäischen Raum. Anfangs war es als Quarantäne- und Durchgangsstation für Verhaftete zur Zwangsarbeit in den Arbeits- und Außenlagern geplant. Vor allem für polnische Staatsbürger. Das änderte sich schlagartig. Im März 1941 begann die Vergrößerung. Das Stammlager war dafür zu klein. Ein zweites Lager musste her. Auschwitz-Birkenau. Arbeitskräfte waren ausreichend vorhanden. Die Häftlinge. Sie arbeiteten am Ausbau des Lagers, beim Bau der Baracken und der Zufahrtsstraßen sowie Abwasserkanäle.


 

Die Reisebusse stehen bereits davor, der Parkplatz ist gut gefüllt. Zahlen müssen wir für ihn natürlich, der Wärter und gleichzeitig Kassierer steht sofort parat.
Der Eintritt ins ehemalige Lager dafür kostenlos. Nur die Gruppen und die Führungen müssen zahlen. Faire Sache.
Wir gehen hinein, der Eingang wird von ein Dutzend Security-Mitarbeitern kontrolliert. Hier im Eingangsbereich gibt es Geschäfte mit reihenweise Material zum Thema Zweiter Weltkrieg und alles, was damit in Verbindung steht. Bücher, Infobroschüren, Karten oder Zeitschriften. Brauchen wir nicht, wir wollen nur noch hinein. Ungeduld.
 
 
Der erste Schritt auf das Freigelände, uns bleibt die Kloß schon nach wenigen Sekunden im Hals stecken. Das Eisentor, mit der Inschrift "Arbeit macht frei". An Zynismus nicht zu überbieten. Es sticht ins Auge. Um zu den begehbaren Baracken zu kommen, müssen wir hindurch. Ein mulmiges Gefühl. Millionen von Menschen wurden gezwungen den gleichen Weg zu gehen. Der doppelte Stacheldrahtzaun grenzt den komplett ein. Entkommen unmöglich. Wachtürme sorgten für einen ganzheitlichen Überblick über die Gefangenen.
Die Baracken. Unzählige. Alle stehen sie noch, behaupte ich einmal. Viele sind begehbar, zeigen schockierende Ausstellungen. Schonungslos, wie wir erfahren werden.
 

Ein, zwei Schritte durch das Tor. Links von uns befindet sich Block 24, rechts die Lagerküche. Ein flacher Bau. Block 14 ist geöffnet. „Tragödie. Tapferkeit. Befreiung“ lautet das Motto, vornehmlich von der Russischen Förderration gestaltet, dass sich mit der Befreiung des Lagers beschäftigt, für den die sowjetischen Truppen verantwortlich sind. Der 27. Januar 1945 war der große, erlösende Tag. Tausende Häftlinge waren befreit, die verantwortlichen Nazi-Schergen geflüchtet. Erst einige Tage später wurde die Welt darüber informiert. Leider starben doch noch Hunderte aufgrund ihrer Schwäche durch die Folter im Lager.

Bilder, Fakten und Exponate zeigen eine moderne, multimediale Ausstellung. Von Saal zu Saal kämpfen wir uns voran. Die gestreifte Häftlingskleidung ist so ein Originalexponat, perfekt hinter dem Stacheldrahtzaun nebeneinander drapiert. Dahinter einzelne Bilder der Gesichter von Häftlinge. Die Menschen bekamen eine Identität. Gegenüber liegt der Block 15. Ein polnisches Thema. „Das Märtyrium und das Leiden der Polen 1939-1945“. Die Rohheit und Einfachheit der Baracken geht trotz moderner Aufbereitung durch die Ausstellungen nicht verloren. Die Grausamkeit bleibt. So besuchen wir die Blocks, einen nach dem anderen. Nationale Ausstellungen sind in der mittleren Reihe der Blocks angesiedelt. Die Ungarn, die Franzosen und Belgier, die Slowaken haben individuell ihre Aufarbeitung und Darstellung über die damalige Zeit gestaltet. Eines bleibt jedoch: das Schonungslose der Geschichte in der nationalsozialistischen Zeit. Das schockiert. Unverblümt, kein Blatt wird vor den Mund genommen.
 
 
 
 
 
Mittendrin der Appellplatz. Jeden Morgen mussten die Gefangenen antreten. Zählen der SS-Männer war angesagt. Egal bei welchen Temperaturen. Manchmal dauerten sie Stunden. Dabei schikanierte man sie, wo man nur konnte. Hinrichtungen fanden an dieser Stelle ebenfalls statt.

Plötzlich haben wir eine Begegnung der besonderen Art. Nicht persönlich, allerdings aus unmittelbarer Nähe. Bereits im Vorfeld sicherten Mitarbeiter der Security in dunklen Anzügen das Areal ab, durchleuchteten es noch einmal. Nach und nach riegelten sie den Bereich um die Todesbaracke und die Erschießungsmauer ab. Ein wichtige Persönlichkeit musste im Anmarsch sein. Uns interessierte das nicht weiter. Wir sind im Trakt, für deren Ausstellung die Niederländer verantwortlich sind. Das Schicksal ihrer deportierten und verfolgten Juden in den Kriegsjahren wird aufbereitet und näher gebracht. Wir schauen aus dem Fenster. Plötzlich schreitet eine Menschentraube Richtung Erschießungsmauer und Todesbaracke. Flankiert von dutzend Securitys. Jene die vorhin schon alles für den hohen Besuch arrangierten. Dem Mann inder Mitte, für den das Tamtam inszeniert wird, hört seinem Begleiter aufmerksam zu, schaut sich interessiert um. Auch ihn scheint es unter die Haut zu gehen. Das Gesicht kenne ich. Kann es nur nicht zuordnen. Noch nicht. Ich grübele, irgendwo habe ich das Gesicht gesehen. Dann komme ich darauf. Gedankenblitz. James Cameron. Premierminister Großbritanniens. Oberster Staatschef. Euro-Gegner. Er muss es sein. Die Ähnlichkeit ist verblüffend. Trotzdem bleiben Zweifel. Sie schreiten zur Mauer. Seine Begleitmannschaft bleibt stehen. Die Kranzniederlegung. Der vermeintliche Cameron geht demütig zur Todesmauer, legt den Kranz nieder und zieht sich wieder zurück. Nach insgesamt 5 Minuten ist der Spuk vorbei. Die Menschentraube ist abgezogen. Das ganze Geschehen konnten wir aus kürzester Nähe beobachten. Die Securitys schauten böse, wir ignorierten sie.

5 Minuten später. Das Magazin, in dem das geraubte Vermögen gebunkert wurde, liegt an der östlichen Stirnseite des Konzentrationslagers. Unserem Interesse gilt der Todesmauer. Eine Mauer, der Ziegelstein ist mit einer Betonschicht extra verstärkt. Mit gesenktem Kopf stehen wir vor ihr. Tausende Häftlinge, Frauen und Männer, wurden qualvoll an der Wand erschossen. Zum Großteil ohne Kleidung am Leib. Die Fenster von Block 10 sind mit Holzbrettern verbarrikadiert. So sollte die Beobachtung der Hinrichtungen verhindert werden. Er steht im Zeichen der verbrecherischen Experimente der „Ärzte“ Josef Mengele und Carl Clauberg. Die Titel Doktor und Professor verkneife ich mir. Sterilisierungsversuche an jüdischen Frauen. Schnelle, biologische Ausrottung der slawischen Völker war das absurde Ziel. Damit war man aber noch nicht am Ende. Mengele unterzog vor allem an Zwillingskindern und Behinderten genetischen Experimente. Man führte Hautverpflanzungen durch, probierte verschiedene Präparate aus oder rieb die Epidermis mit einer giftigen Substanz ein. Pervers. Tod, Krankheiten und Verstümmelungen waren die grauenhafte Folge.
Gegenüber befindet sich der Todesblock. Er war vom übrigen Lager gänzlich isoliert.
Wir treten durch die Tür. Der erste Raum war das Dienstbüro der wachhabenden Offiziere. Ein Schreibtisch mit Utensilien verdeutlicht das anschaulich. In den nächsten Räumen schließen sich die Gefängnisräume an, in denen die Verurteilten auf ihr Lebensende warteten. Kaum ein Bett standen in den Zellen. Am Ende des Ganges steht der provisorische Galgen. Eine der vielen Tötungsmaschinen der Nazis, die jede, aber auch jede „Untat“ bestraften. Sei es das Ausreißen eines Goldzahnes, das Verrichten menschlicher Bedürfnisse oder zu langsames Arbeiten. Willkürliche Bestrafung. Prügel oder das Anbinden an einen Pfahl war dabei das Harmloseste.
 
 
Im Untergeschoss wird es eine Spur verheerender. Vergasungsversuche wurden 1941 in den Räumlichkeiten durchgeführt. Rund 750 Menschen starben daran. Nebenan sind die Zellen. Drei Typen gab es. Die, in der die zum Hungertod Verurteilten eingesperrt waren. Daneben eine Dunkelzelle, in der Erstickungen wegen Luftmangels herbeigeführt wurden und eine mit Zeichnungen eines Häftlings. Mini-Strafbunker gab es auch. Wir sind wieder froh an der Frischluft zu sein. Zum Schluss schnitt es und sinnbildlich schon gehörig die Kehle ab. Die Konfrontation bleibt.
 
Block 6 im Anschluss befasst sich mit der Selektierung in Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz I und II. Abnahme der Kleidung, das Schoren des Kopfes, die Desinfektion unter der Dusche und abschließend die Registrierung. Anfangs wurden die Häftlinge von drei Profilseiten fotografiert, später, aufgrund der Massen, wurden die Lagernummern eintätowiert.
 
Ein besonders Merkmal gab es noch. An der Häftlingskleidung wurden Wankel in verschiedenen Farben angenäht. Rot für politische Häftlinge, gelb für Juden und schwarze Winkel für Zigeuner sowie Asoziale im Sinne der Nazis. Hinzu kam noch Rosa für Homosexuelle, violett für Bibelforscher und grün für Kriminelle. Regelrecht eine Brandmarkung. So erfasste man über 400000 Häftlinge. Die Zahlen sollten mit dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau II in die Höhe schnallen. Schockierende Bilder bekommen wir zusehen. Die dünne Häftlingskleidung erahnt, welcher Tortur man der Kälte ausgesetzt war. Saal 1 zeigt diese Schicksale. Saal 2 knüpft daran unmittelbar an. Das Essen wird thematisiert. Eher das nicht vorhandene Essen. Zum Frühstück einen halben Liter Kaffee, zum Mittag fleischlose Suppe aus faulem Gemüse und am Abend gab es zähes Schwarzbrot mit Käse oder Wurst. In Rationen wohlgemerkt. Satt werden war deshalb unmöglich. Die harte körperliche Arbeit und der Hunger ließen den Organismus zusammenbrechen. Der Tod war nicht selten das Resultat. Aufnahmen zeigen zum Beispiel Frauen, die nur noch 30kg gewogen haben. Eingefallene Gesichter, nur noch Haut, die Knochen hielten nur noch den Bewegungsapparat zusammen. Muskulatur war kaum vorhanden. Man kann gar nicht hinschauen.
 

Kurz darauf bleibt uns endgültig die Spucke weg. Kinderbilder. Nackt. Abgemagert. Komplett entwürdigt. Die Angst in den Gesichtern spricht Bände, das Leid macht sprachlos. Unschuldige Kinder, missbraucht für die Wahnvorstellungen der Nazis. Mengele & Co lassen grüßen.
In Block 5 sehen wir viele Gegenstände, die nach der Befreiung gefunden wurden. Jüdische Gebetsbücher, Schuhe, Koffer, Schlüssel, Brillen und andere vermeintliche Alltagsutensilien der Gefangenen.
Wir sind nicht die einzigen auf dem Gelände. Einige Gruppen werden durch die Baracken geführt, viele einzelne Besucher, wie wir, erkunden Auschwitz. Bei manchen fragt man sich was mit ihnen los ist. Teilweise bewegen sie sich mit einer Respektlosigkeit, dass uns schlecht wird. Bei der Kleidung angefangen. Im Pelz, in grellen Farben, andere tragen kurze Röcke mit Stiefel bis zum Knie. Die Unterhaltungen finden lautstark und erregend und lachend statt. Muss das sein? Finde ich nicht. Ein wenig Anstand und Demut tut jedem, egal welcher Nation und welcher Charakter, gut.
Block 4. Die gesamte Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz wird aufgearbeitet. Anhand vieler Informationen auf den Schautafeln erhält man einen guten Überblick. Inklusive multimedialer Veranschaulichung.
 
Erst jetzt wird uns bewusst, wie nah wir eigentlich in der Stadt sind. Das wirkt auf uns befremdlich. Hinter den Außenmauern verläuft direkt die Bundesstraße nach Bielsko-Biala. Die stark befahrene Strecke hört man deutlich, der Lautstärkepegel ist beträchtlich hoch. Das nervt beinah und wird der Stätte Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau nicht gerecht. Keine drei Meter neben der Mauer sind ganz normale Wohnhäuser. Wie ich finde erschreckend. Wer möchte da freiwillig wohnen? Dazu kommen noch die rundherum gelegenen Firmen und Fabriken. Ein Gewerbegebiet hat sich um Auschwitz I entwickelt. So als wenn nichts gewesen wäre. Vielleicht sehe ich das auch nur zu engstirnig.

Die Gaskammern und Krematorien. Der Schonstein ragt über 4 Meter von dem Gebäude, dass wie eine Art Bunker konstruiert war, in die Höhe. Den Rauch, der dort heraus dampfte, kann man sich plastisch vorstellen. Die Türen sind geöffnet. Es ist dunkel. Düster. Die Wände sind schwarz vom Ruß. Kein Tageslicht. Der größte Raum ist die Totenhalle, der zu einer provisorischen Gaskammer umfunktioniert wurde. Zyklon B kam aus den Hähnen aus der Decke geströmt. Ein Giftgas, produziert durch die Firma „Degesch“. 300000 Mark nahmen sie durch den Verkauf in drei Jahren ein. Ertragreich. Allein in Auschwitz verbrauchte man zwischen 1942 und 1943 circa 20000kg an Zyklon B. 1941 und 1942 wurden die Gefangenen in diesen Räumen getötet und nebenan verbrannt. 350 Leichen wurden täglich eingeäschert. Zwei bis drei in einem Zug.
 
 
Zwischen den hölzernen Wachtürmen geht es zurück Richtung Appellplatz. Die Wachtürme waren nötig. Trotz des Terrors und des drohenden Todes organisierten sich Häftlinge in Untergrundgruppen. Ihr Ziel war es, Kontakte zur polnischen Bevölkerung zu knüpfen, um das Schmuggeln von Paketen mit Lebensmitteln oder Medikamenten möglich zu machen. Andererseits wurden Listen mit Namen der Nazi-Verbrechern, Namen der Inhaftierten und Berichte über Zustände und Verbrechen innerhalb des Lagers. Nicht nur dadurch bekamen die Gegner des Dritten Reichs ihre notwendigen Informationen. Aufklärungsflugzeuge fotografierten die Gelände des Konzentrationslagers und erhielten einen umfangreichen, recht detaillierten Überblick über die topographischen Gegebenheiten.

Als die Bedrohung für Nationalsozialisten durch die verbündeten Alliierten mehr und mehr bedrohlicher wurde, evakuierten sie das Lager blitzschnell. Häftlinge mussten zum Todesmarsch antreten. Sie wurden Richtung Reichsmitte getrieben. Zu Fuß oder in offenen Eisenbahnwaggons. Verhungern, Erfrieren waren an der Tagesordnung. Wer nicht in der Lage war, wurde einfach erschossen. Die geraubten wertvollen Gegenstände wurden weggeschafft. Die Magazine steckten die SS-Offiziere in Brand, um Spuren zu verwischen.

Am 23. Januar 1945 wurde Auschwitz endgültig von der sowjetischen Armee befreit. Trotz sofortiger medizinischer Hilfe starben viele der noch im Lager Verbliebenen. Ihr Organismus hatte keine Chance. Die Mauern haben überlebt. Als Gedenkstätte, das den Status UNESCO-Weltkulturerbe innehält. Ein Ort, der ewig an das Leid und Grauen der deutschen Massenmorde im Zweiten Weltkrieg. erinnert.

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