09 Juni 2015

Erste Station in den Tod (Teil 10)



Blick zum Vernichtungslager
Dritter Anlaufpunkt der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz ist die Judenrampe. Noch so ein Ort von brutaler Grausamkeit. Nur einen Katzensprung vom Vernichtungslager Birkenau entfernt. In direkter Sichtweite. Wer nicht mit dem Auto fahren will, kann beides ohne weiteres erlaufen. Auschwitz I ist ebenfalls nicht weit entfernt.

Die Bezeichnung spricht Bände, Judenrampe. Vornehmlich Juden kamen an dieser Stelle an. Es war das Ende einer Reise für die Deportierten und Gefangenen. Für Millionen war es der Weg in den Tod. Tagelange Fahrten in Güterwaggons hatten sie hinter sich. Ohne Wasser, ohne Essen, ohne sanitäre Einrichtung. Eine unwürdige Tortur, glimpflich ausgedrückt. Viele überlebten dies schon nicht. Es ist ein Ort des Todes.

Zwei Gleise sind heute erhalten. Die beiden Waggons, Originale aus Kriegszeiten, sind zur Veranschaulichung auf ihnen platziert. Die Vorstellung allein ist beschämend. Bis 1944 rollten die Züge an, ehe die Nazis die Gleise direkt ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau II verlegten. Die Züge fuhren gewissermaßen in den qualvollen Tod.
An der Judenrampe wurden die Menschen unmittelbar selektiert. Die einen „durften“ Sklavenarbeit verrichten, die anderen kamen direkt in die Gaskammer. Die Starken schufteten, die Schwachen gingen in den sicheren Tod, ohne Chance auf Leben. Nur das äußere Erscheinungsbild war das Kriterium. Einige wurden aus Willkür und Lust am Morden auf der Stelle erschossen. Den Kranken und Behinderten war von vornherein das Schicksal bestimmt. Bestialisches Nazideutschland.

Unmittelbar nebenan, kaum 20m entfernt, reihen sich die Einfamilienhäuser aneinander. Die Kinder spielen im gepflegten Gärten, die Wäsche hängt sortiert auf den Leinen. Normales Leben. Ganz selbstverständlich. Für uns irgendwie ein makaberes Gefühl.

Nach der Befreiung und dem Ende des Krieges verkommen die Gleise. Büsche und Sträucher wachsen wild darüber, die Schienen waren nicht erkennbar. 2004 änderte sich das, die Judenrampe wurde saniert, aufwendig. Infotafeln zu geschichtlichen Geschehnissen wurden installiert. Ein Mahnmal, eine Gedenkstätte, eine Erinnerung an die Millionen getöteten und das Schicksal dieser Menschen. Ein letzter Blick auf das Gleis. Ein letzter Blick hinüber zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, ein letzter Blick auf die Stadt Auschwitz. Dieses belastende und betroffene Gefühl lässt uns auch wenige Stunden später nicht los. Wir schämen uns.

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